NRW-Piraten Wenn die Internet-Partei das Twittern vergisst

Düsseldorf · Der Trubel um die Polit-Stars der vergangenen Monate hat sich gelegt. Es ist so ruhig geworden, dass die NRW-Piraten zuletzt ihre Kern-Kompetenz häufig vernachlässigt haben: die Internet-Aktivität. Die Neulinge beschäftigen sich mit rechtsextremen Tendenzen innerhalb der Partei und sinkenden Umfragewerten.

Der neue Vorstand der Piraten
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Zumindest im beschaulichen Saarland ist den Piraten der Ernst der Lage bewusst. Nach dem Einzug der Partei ins Parlament nach der Saarland-Wahl im März gestand Fraktionschef Michael Hilberer jüngst ein, dass der "Hype erst einmal vorbei" sei. Im Mai war den Polit-Neulingen zunächst noch der nächste Coup gelungen: Sie enterten auch den Landtag des bevölkerungsreichsten Bundeslandes in Düsseldorf.

Die NRW-Piraten wurden gefeiert und die Erwartungen der Öffentlichkeit an die Neuen war groß vor ihrem ersten Arbeitstag im großen Sitzungssaal am Düsseldorfer Rheinufer. Fast zwei Monate ist dies nun schon her. Ein klares, politisch-inhaltliches Bild haben die Piraten noch nicht von sich zeichnen können.

Klage gegen NRW-Finanzminister

August 2012, der Alltag hat die Piraten eingeholt. Am Freitag gaben vier Mitglieder der NRW-Fraktion bekannt, dass sie nach dem umstrittenen Kauf weiterer Steuer-CDs aus der Schweiz Strafanzeige gegen Nordrhein-Westfalens Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) erstattet haben. Ein erstes Lebenszeichen eines Teils der Düsseldorfer Piraten nach Tagen.

Besonders deutlich wird die scheinbare Orientierungslosigkeit beim Blick auf die Internet-Aktivitäten der Partei. Die Kommunikation über Twitter, eigentlich eine ihrer Kernkompetenzen, wurde jüngst vernachlässigt.

Schärfung des politischen Profils?

Positionierung zu landespolitischen Themen? Schärfung des politischen Profils? Fehlanzeige. Der letzte Eintrag wurde am Donnerstag eingestellt. "Barcamp Bundestag — Fraktionspolitik 2.0 der Piratenpartei Deutschland in Essen" - ein bundespolitisches Thema.

Auf Bundesebene haben die Piraten mit anderen Konflikten zu kämpfen, wie das Eingeständnis des Ober-Piraten Bernd Schlömer zu rechtsradikalen Tendenzen zeigt. "Ich sage klar: Da haben wir ein Problem." Die Piraten seien dabei, "alle faulen Eier zu identifizieren". Ein für die Piraten ungewohntes Bild auch bei Umfragen: Als einzige Interessenvertretung verloren sie ein Prozent, alle anderen stagnierten oder gewannen an Wählergunst hinzu.

Mehrere Krisenherde

Ein Grund dürften die innerparteilichen Grabenkämpfe sein, der Disput um die zurückgetretenen Mitglieder der Führungsriege und die aufflammende Diskussion über rechtsextreme Tendenzen in den eigenen Reihen. Viele Krisenherde für eine Partei, die von der Erfolgswelle regelrecht überrollt wurde.

Trotz aller Baustellen verfolgen die Piraten nach den Worten ihres Parteichefs Bernd Schlömer in etwa zwei Jahren ein hehres Ziel: Sie wollen regierungsfähig sein. Auf Landesebene könne dies vielleicht "auch schon nach der Niedersachsenwahl" im Januar 2013 der Fall sein, sagte Piratenchef Bernd Schlömer der "Leipziger Volkszeitung" vom Freitag.

Auf Bundesebene komme "auch Angela Merkel als mögliche Koalitionspartnerin in Frage", sofern die CDU-Chefin Ziele der Piraten teile. Regierungsfähigkeit hin, Koalitionsbereitschaft her — um diese Ziele zu erreichen, müssen die Piraten die Unterstützung des Wählers erreichen und politische Positionen zum Ausdruck bringen. Auch über Twitter.

(nbe)
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