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Düsseldorf Die vergessenen Kinder in den Ruinen von Gaza

Düsseldorf · Die Region versinkt im Elend: Die Menschen sind von der Außenwelt abgeschnitten und leben in Ruinen. Sie haben kaum noch Hoffnung.

Das Hilfswerk "SOS-Kinderdörfer weltweit" schlägt Alarm: Ein halbes Jahr nach dem Krieg in Gaza ist, unbemerkt von der Weltöffentlichkeit, die Situation der rund zwei Millionen Bewohner unhaltbar geworden. "Die Menschen sind völlig verzweifelt. Das allgemeine Elend hat sich dramatisch verschärft, weil Gaza von Israel und Ägypten fast völlig abgeriegelt worden ist", berichtet Samy Ajjour (38).

Der Leiter der SOS-Kinderdörfer in dem Palästinensergebiet am Mittelmeer versucht während eines Deutschland-Besuchs, auf das Schicksal der inzwischen Vergessenen aufmerksam zu machen: "Es gibt kein Baumaterial, keine Medizin, fast kein Benzin, nur wenige Stunden am Tag Strom und selten sauberes Trinkwasser."

Die internationale Hilfsorganisation betreibt in Rafah ein Kinderdorf, einen Kindergarten und eine Schule, die während des Krieges zum Glück nicht zerstört worden sind. Außerdem werden arme Familien unter anderem mit Kleinkrediten gefördert - insgesamt sind es mehr als 3000 Menschen, die von "SOS-Kinderdörfer" unterstützt werden.

Der Gaza-Streifen ist eines der ärmsten und zugleich dichtest besiedelten Gebiete der Welt. Innerhalb der vergangenen sechs Jahre gab es drei bewaffnete Konflikte zwischen den israelischen Streitkräften und der in Gaza regierenden radikal-islamischen Hamas. Bei den 50-tägigen Kämpfen im vergangenen Jahr starben mehr als 2100 Palästinenser und 73 Israelis; große Bereiche des schmalen Küstenstreifens wurden zerstört.

Diesmal sei die Lage noch einmal deutlich schlimmer geworden, sagt Ajjour: "70 Prozent aller Kinder im besonders zerstörten Ostteil von Gaza besitzen nur noch das, was sie am Leib tragen: ein Kleid oder ein T-Shirt, eine kurze Hose und Sandalen. Die meisten hausen in den Ruinen oder in Notunterkünften der UN und sind inzwischen auch psychisch am Ende." Denn ein Wiederaufbau der Häuser ist unmöglich, es gibt keine Arbeit, und die Lebensmittel werden knapp.

Das System der Großfamilie, das dem Einzelnen bisher auch in der Not Schutz gab, funktioniere wegen der allgemeinen Hoffnungslosigkeit nicht mehr. Kriegswaisen aus der erweiterten Verwandtschaft würden nicht mehr aufgenommen, weil schon die eigene Familie nicht mehr ernährt werden könne. "Wir fühlen uns alleingelassen", sagt Ajjour, der, selbst Palästinenser, mit seiner Frau und vier Töchtern im Alter von zwei bis sechs Jahren in Rafah lebt.

Das allgemeine Leid wird durch die ungewöhnliche Wetterlage verschärft: Sogar geschneit hatte es bis in den Februar, tagsüber begann der Kampf gegen den Schlamm. "Es ist immer noch kalt, wir haben keinerlei Heizung. Schon gar nicht die Menschen, die in den Ruinen leben." Vor allem die Kinder litten, beklagt Ajjour. Viele hätten keinen Unterricht mehr, weil die noch intakten Schulgebäude als Notunterkünfte dienen.

"Unterernährung, Vernachlässigung und Gewalt gegenüber Kindern haben stark zugenommen", stellt Samy Ajjour fest und schildert den Fall der zehnjährigen Heba, deren komplette Familie im Krieg umgekommen ist. "Sie ist von Nachbarn sexuell missbraucht worden und nun glücklicherweise im SOS-Kinderdorf gelandet. Es wird eine lange Zeit brauchen, bis wir dieses Mädchen wieder aufgerichtet haben. Und Heba ist leider kein Einzelfall."

Die Hilfsorganisation plant ein Übergangszentrum, in dem 1000 junge Kriegsopfer betreut werden sollen. Doch auch Psychologen sind zurzeit kaum zu finden in Gaza.

Rund 1000 große und kleine Hilfsorganisationen bemühen sich zurzeit, den Palästinensern zu helfen, berichtet der Kinderdorf-Leiter. Doch von den internationalen Hilfszusagen in Höhe von 5,4 Milliarden Euro sei wenig zu sehen, möglicherweise, weil die geschlossenen Grenzen die Lieferungen von Hilfsgütern verhindern. Samy Ajjour will die Hoffnung nicht aufgeben - "aber die Welt muss uns helfen."

(RP)
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