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Istanbul Türkische Historiker bestätigen Völkermord

Istanbul · Auch die Enteignung der Armenier ab 1915 sei planmäßig im Staatsauftrag erfolgt.

Kurz vor dem Armenier-Jahrestag am 24. April versucht die türkische Regierung, die Rufe nach Anerkennung des Völkermordes zu entkräften. Doch auch in der Türkei vertritt eine ganze Riege von Historikern die Auffassung, dass die Massaker an den Armeniern sehr wohl Teil eines staatlich sanktionierten Plans waren. Einer von ihnen ist Mehmet Polatel, der an der privaten

Koç-Universität in Istanbul tätig ist und die Enteignung armenischen Besitzes während der Vertreibung erforscht.

Detailliert schildet Polatel in seinen Büchern und Artikeln, wie der Besitz der Armenier ab 1915 planmäßig enteignet und verteilt wurde. Versorgt wurden damit zunächst muslimische Flüchtlinge vom Balkan und dem Kaukasus sowie die osmanische Staatskasse. Ein Teil des erbeuteten Reichtums wurde gezielt muslimischen Unternehmern zur Verfügung gestellt, um eine türkisierte nationale Wirtschaft zu schaffen. Die "systematische Kontrolle" des Staates über die Enteignung der Armenier belege, dass es sich bei ihrer Deportation keineswegs um eine vorübergehende Umsiedlung gehandelt habe.

Auch der Historiker Ugur Ümit Üngör, der die Türkisierung von Anatolien zulasten der alteingesessenen Minderheiten erforscht, betont die wirtschaftliche Bedeutung der Enteignungen während der Armenier-Massaker. Die heute so erfolgreiche türkische Volkswirtschaft sei auf dem enteigneten Besitz der Armenier aufgebaut, sagt Üngör: "Das ist die Grundlage der türkischen Wirtschaft. Die Enteignung der Armenier war eine der größten Umverteilungen von Eigentum in der neueren Geschichte."

Anders als der türkische Staat schrecken diese Wissenschaftler vor schmerzhaften Erkenntnissen nicht zurück. Der junge Politikwissenschaftler Ümit Kurt weist auf die Parallelen zum deutschen Nationalsozialismus hin: "Man kann einen ganz klaren Vergleich ziehen zwischen der Arisierung jüdischen Eigentums durch das Nazi-Regime und der Türkisierung und Enteignung armenischen Besitzes. Es gibt beträchtliche Gemeinsamkeiten und Ähnlichkeiten zwischen den beiden Prozessen."

Auch der Frage nach der Rolle der modernen türkischen Republik und ihres Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk geht der junge türkische Wissenschaftler nicht aus dem Weg: "Hinter der Türkisierung armenischen Besitzes stand ein riesiges Rechtsgefüge, das von der Türkischen Republik und Atatürk übernommen worden ist. Diese ganzen Gesetze und Vorschriften sind von der Republik übernommen und aktualisiert worden."

(RP)
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