Annette Schavan Würdigung einer Politiker—Laufbahn

Berlin · Mit ihrem Rücktritt vor gut einem Jahr erwies Annette Schavan (CDU) der Kanzlerin einen letzten Dienst. Eine Politikerin wie Schavan wusste, wann es Zeit ist zu gehen. Eine Forschungsministerin, der – wenn auch unter umstrittenen Umständen – der Doktortitel entzogen wurde, kann nicht im Amt bleiben.

Annette Schavan: Würdigung einer Politiker—Laufbahn
Foto: Martin Schutt

Mit ihrem Rücktritt vor gut einem Jahr erwies Annette Schavan (CDU) der Kanzlerin einen letzten Dienst. Eine Politikerin wie Schavan wusste, wann es Zeit ist zu gehen. Eine Forschungsministerin, der — wenn auch unter umstrittenen Umständen — der Doktortitel entzogen wurde, kann nicht im Amt bleiben.

Also trat sie erhobenen Hauptes zurück. Das hatte mehr Stil als bei vielen Ministern vor ihr, die entweder aus ihren Ämtern verjagt oder hinauskomplimentiert werden mussten. So gestaltete sie ihren eigenen Abgang zumindest würdevoll. Er fiel ihr aber genauso schwer, wie den vielen Schicksalsgenossen, die bis zum Schluss an ihren Sesseln klebten.

Wäre ihr der Titel nicht aberkannt worden, wäre sie sehr wahrscheinlich auch heute noch Bundesministerin für Bildung und Forschung. Auf dem Feld genoss sie viel Anerkennung. Bei den Hochschulen und Forschungsgemeinschaften war sie beliebt, weil sie dem Wissenschaftsbetrieb konsequent und durchdacht Forschungs- und Fördergelder zuschanzte.

Die vielen Stellungnahmen von Wissenschaftlern mit hoher Reputation für ihre Doktorarbeit lassen sich nicht einfach damit erklären, dass die Forscher sich das Wohlwollen der Ministerin sichern wollten. Viele Argumente für ihre Dissertation und die vielen Stellungnahmen, dass es keine Täuschungsabsicht gegeben habe, kamen aus echter Überzeugung. Immer wieder forderten renommierte Wissenschaftler wie beispielsweise der Präsident der Berliner Humboldt—Uni Jan-Hendrik Olbertz ein zweites Gutachten zur Überprüfung der Promotionsschrift.

Ein wichtiger Seismograph dafür, was ein Politiker taugt, ist auch die Reaktion von Parteifreunden und Opposition in Krisenlagen. Annette Schavan wurde geschont, von den eigenen Reihen sowieso. SPD— und Grünen—Politiker, damals Opposition, hielten sich auch zurück. Als sie zurücktreten musste, war das Bedauern im Berliner Politik-Betrieb groß.

Vor allem die Kanzlerin schmerzte der Abgang. Über viele Jahre war Schavan Freundin, politische Ratgeberin, Vertraute und Verbündete. Es war auch Schavan, die Merkel half, sich in der konservativen, westdeutschen Männerpartei der 90er Jahre zurecht zu finden. Als Merkel dann Kanzlerin war, erklärte Schavan oft ihre Politik, ohne dabei pikante Details zu verraten. 14 Jahre lang war Schavan als stellvertretende CDU—Chefin die graue Eminenz der Partei.

Als Politikerin war die Katholikin aus dem Rheinland ähnlich uneitel wie die Kanzlerin. Als eine ihrer hervorragenden Eigenschaften nannte sie einmal die Fähigkeit, an Mikrofonen und Kameras vorbeizugehen. Von der Politik konnte sie nie die Finger lassen. Mitte der 70er Jahre stieg sie im Rheinland in die Kommunalpolitik ein.

In dem damals SPD—dominierten Nordrhein—Westfalen sah sie wenig Perspektiven für sich und wechselte als Kultusministerin 1995 nach Baden—Württemberg. Zehn Jahre füllte sie das Amt aus, bevor Merkel sie als Bildungsministerin in das Kabinett ihrer ersten großen Koalition holte. In ethischen Fragen war Schavan in ihrer aktiven Laufbahn stets klar positioniert. Für sie stand der Schutz des Lebens im Vordergrund. Die Debatten um Leben und Tod hat sie mit viel Engagement gefochten.

Das Urteil des Düsseldorfer Verwaltungsgerichts ist nicht überraschend, in seiner Klarheit dennoch ein herber Schlag für die Ex—Ministerin. Umgehend erklärte sie, dass sie den Vorwurf der Täuschung erneut entschieden zurückweise. Davon, dass ihr mit dem Entzug des Doktortitels Unrecht geschehen ist, ist sie zutiefst überzeugt.

Am Ende hat sie sich auch persönlich verändert. Die rheinische Fröhlichkeit ist ihr abhanden gekommen. Dass sie der Verlust des Titels im Mark, in ihrer persönlichen Existenz, trifft, verhehlt sie nicht. Sollte sie nicht in Revision gehen, muss sie ihren Doktortitel nach vier Wochen ablegen.

(csi)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort