Analyse Die undurchsichtige Akte Rethelstraße

Düsseldorf · Ein Vierteljahr nach der spektakulären Großrazzia im Rotlichtmilieu sind die Bordelle wieder geöffnet und die meisten der wegen Raub und Körperverletzung Hauptbeschuldigten auf freiem Fuß.

Razzia an der Rethelstraße: Bordelle im Visier
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Razzia an der Rethelstraße: Bordelle im Visier

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Freitagabend, kurz vor halb zehn: Aus einem Lieferwagen schleppen Männer Kiste um Kiste in die Gentlemen-Clubs an der Rethelstraße. Fast drei Monate haben die zwangsweisen Betriebsferien gedauert, jetzt muss offenbar Getränke-Nachschub her. Die Stadt hat den Betrieb der Bordelle wieder gestattet. Der Ausschank von Alkohol ist dort allerdings offiziell verboten.

Während das Dienstleistungsangebot eines reinen Bordellbetriebs laut Ordnungsbehörden ein "erlaubnisfreier" Geschäftsbereich ist, ist für den Verkauf von Alkohol eine Konzession nötig, die im Juli aufgehoben worden war. Nun hat eine neue Geschäftsleitung der Wollersheim-Etablissements eine Konzession beantragt. Und da die neue Unternehmensspitze polizeilich unauffällig und laut Stadtsprecherin Natalia Fedossenko "strafrechtlich unbescholten" ist, bleiben den städtischen Ordnungsbehörden womöglich kaum Argumente, diesen Antrag abzulehnen. Ordnungsdezernent Stephan Keller kündigte unterdessen an, die Betriebe weiter im Auge zu behalten.

Während die Staatsanwaltschaft weiter wegen des Verdachts des schweren Raubes, Körperverletzung, Diebstahl und anderer Delikte ermittelt, feiert die Rotlichtszene an der Rethelstraße Wiederauferstehung unter leicht veränderten Vorzeichen. Und die sind offensichtlich den Verfügungen der Stadt angepasst.

Die Ordnungsbehörde hatte die gewerberechtliche Erlaubnis für die drei Rethelstraßen-Bordelle und ein — ebenfalls nun wieder geöffnetes — Erotik-Hotel an der Worringer Straße eine Woche nach der Großrazzia aufgehoben, weil sich in den Ermittlungsakten ausreichend Hinweise auf die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit von Geschäftsführerin Inka S. gefunden hätten. Ein Austausch der Geschäftsführerin allein reiche für die Wiedererteilung der Genehmigung nicht aus.

Zwar war die Stadt noch im Juli davon ausgegangen, dass die Schließung der Bordelle "von Dauer" sei. Doch hieß es auch seinerzeit schon, dass eine neue Erlaubnis vor A blauf eines Jahres "aus besonderen Gründen möglich" sei. Gegen die Schließung waren M. und Wollersheim zunächst mit einem Eilantrag vorgegangen, den ihre Anwälte im September vor dem Verwaltungsgericht allerdings zurückzogen. Die Stadt hatte ihrerseits im Gegenzug auf Teile ihrer Ordnungsverfügung verzichtet, aber darauf bestanden, dass für Wollersheim und M. nicht nur der Betrieb der gerade geschlossenen Bordelle untersagt ist: Beide dürfen im gesamten Düsseldorfer Stadtgebiet weder Bordelle noch Gaststätten betreiben.

Bereits bei seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft im August hatte Bert Wollersheim, der die Clubs mehr als 30 Jahre lang führte, davon gesprochen, sich aus dem Geschäft zurückziehen zu wollen, an dem er nunmehr die Lust verloren habe. Vor zwei Wochen dachte der 61-jährige Ex-Friseur dann laut über ein anderes Modell nach: Er wolle sein "Lebenswerk" in "gute Hände" abgeben und selbst bloß noch als Berater fungieren. "Das wäre mein Traum", sagte Wollersheim, verschwieg dabei aber, dass er laut Ordnungsverfügung ohnehin nichts anderes mehr sein kann.

Thomas M., seit einigen Jahren gleichberechtigter Partner von Wollersheim in der "Pensionsbetriebe Rethelstraße GmbH", dem zumindest zeitweilig auch die Immobilien an der Rethelstraße gehörten, war erst kürzlich nach einer Haftbeschwerde vom Landgericht freigelassen worden. Er gilt für die Staatsanwaltschaft weiter als Kopf eines kriminellen Netzwerks, das in mindestens 50 Fällen Freier betäubt und anschließend ausgeplündert haben soll.

Offiziell gehört auch M. aber nicht mehr zum Unternehmen. Wie die "Welt" berichtet, soll nicht bloß die Geschäftsführerin abgelöst worden, sondern die Bordellbetriebe komplett in eine neue GmbH übergegangen sein, in der weder M. noch Wollersheim Gesellschafter sein sollen.

Zur neuen Betreibergesellschaft sollen nun auch das von M. bislang allein geführte so genannte "Business Café" Gretna Green an der Bahnstraße gehören, das zwar Gegenstand der polizeilichen Ermittlungen war, das aber auch nach der Razzia geöffnet blieb, ebenso wie die Nachtbar Rethel-Dance an der Mintropstraße, die bisher unter dem Dach der alten Gesellschaft firmierte.

Während die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft weiter gegen Inka S., Thomas M. und zwei andere Männer als Hauptbeschuldigte in einem kriminellen Netzwerk von mehr als 80 Personen ermittelt, wird Wollersheim inzwischen durch Zeugen zumindest teilweise entlastet. Deshalb verzichtete die Staatsanwaltschaft auch auf eine Beschwerde gegen dessen Freilassung im August. Gegen die Aufhebung der Haftbefehle für Thomas M. und Inka S. hat sie Beschwerde eingelegt, über die das Oberlandesgericht bisher noch nicht entschieden hat.

(RP/jco)
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