Meerbusch Opa Willi will Bundeskanzler werden

Meerbusch · Er hat fünf Enkel und will sie nicht mit Schulden zurücklassen: Sparen steht ganz oben auf Willi Kindels Wahlprogramm

 Willi Kindel (75) lebt seit 39 Jahren in Lank-Latum. Er ist davon überzeugt, dass sich mit einem europäischen Staat eine Menge sparen ließe – zum Wohle nachfolgender Generationen.

Willi Kindel (75) lebt seit 39 Jahren in Lank-Latum. Er ist davon überzeugt, dass sich mit einem europäischen Staat eine Menge sparen ließe – zum Wohle nachfolgender Generationen.

Foto: falk janning

Wie ein Büromensch, ein Amtsgewächs, sieht er nicht aus. Eher wie jemand, der viel draußen ist, in der Natur. Die Hände sind gebräunt, das Haar ein wenig zerzaust. Willi Kindel geht in Holzschuhen durch seinen Garten in Lank-Latum, am Rande der Altrheinschlinge, sumpfig wird es, je weiter er Richtung Westen läuft. Das Wasser macht schmatzende Geräusche unter seinen Füßen.

Das Grundstück reicht bis zum Bursbach, einem Ausläufer des Rheins. Dahinter beginnt das Weideland. Bis auf die Autogeräusche der nahe gelegenen K1 ist es ganz ruhig, nur ab und zu schnattern ein paar Wildgänse, die mit ihren Jungen durch die Gärten am Bursbach ziehen. Kindel fühlt sich wohl. "Die Leute fragen mich immer, warum ich nie in Urlaub fahre", sagt der 75-Jährige und lacht. Ein Wind fährt durch die Trauerweiden und das hohe Feld von Brennesseln. Kindel stört sich nicht daran. Er lässt das Gras wachsen, wo es eben wachsen will.

Und jetzt also Berlin. Um sich dort zur Wahl für das Kanzleramt aufstellen zu lassen, muss Kindel erst einmal als Abgeordneter in den Bundestag gewählt werden. Kandidat für die Bundestagswahl kann jeder werden, auch ohne Parteizugehörigkeit. Bedingung ist allerdings, dass mindestens 200 Unterschriften von Wahlberechtigten des Wahlkreises auf speziellen Formblättern eingereicht werden.

Der Bundeskanzler wird von den Mitgliedern des Bundestages mit absoluter Mehrheit gewählt. Was Kindel allerdings vorschwebt, ist ein europäischer Gesamtstaat. Sparen — so sein Ansatz — lässt sich am Besten im Großen. Straßenbau, Bundeswehr, Auswärtiges Amt — seiner Meinung nach gibt es hier viele Möglichkeiten, die klamme Staatskasse wieder aufzufüllen. "Die Bundeswehr könnte man auf europäische Ebene verlagern und das Auswärtige Amt ganz streichen. Wenn wir alle Europäer sind", sagt Kindel. Staatsbesuche mit Pomp und Militärparaden lassen ihn nur schmunzeln. "Lächerlich. Wenn der Gouverneur von Kalifornien und der von Minnesota das jedes Mal machen würden, wenn sie sich träfen." Er fordert weniger Protokoll, dafür mehr Einheitlichkeit.

Auch für die Mitgliedstaaten der EU wünscht er sich ein einheitliches Wirtschaftssystem. Sorgen macht er sich vor allem um die junge Generation und ob sie mit den angehäuften Schulden fertig wird. "Unser Staat ist wie eine Firma, die sich Geld leiht, um ihre Mitarbeiter zu bezahlen", sagt der studierte Volkswirt. "Aber eine solche Firma steht immer auf der Kippe." Kindel selbst hat fünf Enkelkinder zwischen zwei und zwölf Jahren. Schon einmal wollte der ehemalige Unternehmensberater etwas verändern. Vor zehn Jahren stellte er sich als Bürgermeisterkandidat in Meerbusch zur Wahl.

Gebürtig stammt er aus Düsseldorf, genauer Oberkassel. Dass es die Politik geschafft hat, die Landeshauptstadt schuldenfrei zu machen, findet seinen Respekt. Gleichwohl ist ihm bewusst, dass Sparen selten gut ankommt. "Viele Leute hätten Erwin damals gern lebendig gevierteilt", sagt Kindel und lacht. Das Ergebnis sei aber die schuldenfreie Stadt, mit der sich heute viele Düsseldorfer rühmten. Willi Kindel schaut um sich. "Wenn ich abends hier sitze, denke ich schon, dass ich Glück gehabt habe", sagt er und blickt über die Wiese. Auf dem Sofa liegt sein ältester Enkelsohn Jakob mit Kopfhörern auf den Ohren, neben der Terrassentür liegt eine DVD-Hülle: "Autonomie statt Anpassung". Es könnte Kindels Wahlslogan sein.

(RP/rl)
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