Fabian Wegmann über den Giro "Und dann steht plötzlich dein Name auf der Straße"

Am Freitag startet der 100. Giro d'Italia. Der einzige Deutsche, der dort je ein Wertungstrikot gewinnen konnte, war Fabian Wegmann 2004. Der Ex-Radprofi aus Münster (36) erklärt, was für ihn die Faszination des kleinen Bruders der Tour de France ausmacht. Ein Gastbeitrag.

 Fabian Wegmann 2004 im damals noch grünen Trikot des besten Bergfahrers beim Giro d’Italia.

Fabian Wegmann 2004 im damals noch grünen Trikot des besten Bergfahrers beim Giro d’Italia.

Foto: Imago

Was mir bei Giro d'Italia vor allem gefallen hat, sind die Tifosi, die Fans. Die Italiener sind einfach extrem stolz auf ihren Giro. Sie kennen jeden Fahrer mit Namen - auch Jahre später übrigens noch. Sie feuern jeden an, auch noch den Letzten, der über die Ziellinie fährt. Ich bin wegen dieser Mentalität der Zuschauer immer viel und gerne in Italien gefahren und habe dort auch einige Rennen gewonnen.

Was speziell den Giro für mich immer ausgemacht hat: Er war eigentlich immer familiärer als die Tour de France, die in den vergangenen Jahren noch gigantischer geworden ist. Beim Giro ist man als Fahrer gefühlt noch näher an den Leuten dran, und das ist doch das Schöne. Und beim Giro konntest du dich als Fahrer noch hinsetzen in eines der Zelte am Start, noch mal gemütlich die "Gazzetta dello Sport" lesen und einen Espresso trinken. Facetten wie diese, Facetten, wie früher mal Radrennen waren, die hat sich der Giro bewahrt.

Mein schönstes Erlebnis war - natürlich, mag man sagen - die vorletzte Etappe des 2004er Giro von Bormio nach Presolana, auf der ich mir das Bergtrikot von Damiano Cunego zurückgeholt habe. Damals bin ich als Zweiter der Spitzengruppe über den Passo del Mortirolo gefahren und habe so letztlich die entscheidenden Punkte für den Gewinn des Bergtrikots geholt. Ich bin anschließend zwar von einigen Fahrern überholt worden, aber eben nicht von Cunego, der damals mein größter Rivale um das Trikot war und die Gesamtwertung gewann.

Als ich später dann über Funk gehört habe, dass die Spitzengruppe über den allerletzten Berg war, wusste ich, dass er keine Punkte mehr holen konnte. Da habe ich mich natürlich tierisch gefreut. Als ich dann zehn Minuten später abgehängt alleine den Berg nach Presolana hochfuhr, sah ich plötzlich meinen Namen auf dem Asphalt stehen, weil fünf Kumpels aus Münster angereist waren und die Straße bepinselt hatten. Das war unglaublich, weil ich so mein Glücksgefühl auch noch mit anderen teilen konnte. Das ist eine Erinnerung, die bleibt ein Leben lang.

Denn es war ja beileibe nicht so, dass ich damals mit 23 bei meiner ersten großen Rundfahrt der Überflieger in den Bergen war und reihenweise die ganz großen Namen abgehängt habe. Ich bin halt auf sechs Etappen in der Spitzengruppe gewesen und habe so halt meine Pünktchen für die Bergwertung zusammengesammelt. Das Trikot habe ich eingerahmt, und es hängt heute unten in meinem Fahrradkeller. Es hat vorher in meiner alten Wohnung in der Küche gehangen, aber so ist es okay jetzt.

Was dem Giro hier in Deutschland einfach fehlt, ist im Vergleich zur Tour de France die mediale Aufmerksamkeit. Ich habe bei der Tour 2005 ja nur mal für zwei Tage das Bergtrikot getragen. Das hat mehr Brimborium erzeugt als der Gewinn des Giro-Trikots ein Jahr zuvor.

Aber ich habe nicht nur gute Erinnerungen an den Giro. 2014 hatte ich dort meinen schlimmsten Unfall, als ich mir beim Sturz auf der Abfahrt die komplette Oberschenkelmuskulatur samt der Sehnen im linken Bein gerissen habe und ich drei Monate pausieren musste.

Der Giro ist und bleibt halt immer auch ein Rennen der Extreme.

Der Autor war Radprofi von 2002 bis 2016. Seine größten Erfolge waren der Gewinn des Bergtrikots beim Giro d'Italia 2004 sowie drei Deutsche Meistertitel im Straßenrennen (2007, 2008, 2012). Heute arbeitet er als Botschafter für das Radrennen "Sparkassen Münsterland Giro".

(RP)
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