Bayer Leverkusen Alarmstufe dunkelrot

Nach dem 1:4-Desaster gegen den FC Schalke erlebte Bayer 04 einen turbulenten Abend. Bis kurz nach Mitternacht harrten aufgebrachte Fans vor dem Stadion aus. Teile der Mannschaft stellten sich der geforderten Aussprache. Es herrscht Untergangsstimmung unterm Bayer-Kreuz.

Bayer-Fans blockieren die Ausfahrt
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Foto: Uwe Miserius

Während Rudi Völler sichtlich mitgenommen in den Katakomben der BayArena seine seit Wochen bekannten Durchhalteparolen schwang, forderten knapp 150 Fans vor dem Stadion lautstark seine Entlassung — und die von Geschäftsführer Michael Schade. Die Wut der Anhänger kochte nach dem 1:4-Debakel gegen den FC Schalke über. Sie errichteten eine Steh-Blockade und forderten, dass sich die Mannschaft stellt. Getrennt durch einen Zaun diskutierten unter anderem Stefan Kießling, Kapitän Lars Bender und Ömer Toprak mit der aufgebrachten Anhängerschaft. Die hatte eine klare Botschaft an das Team: Allerspätestens jetzt geht es um alles!

Der Fanprotest hatte sich zur Halbzeit angedeutet. Da stand es 0:3 aus Sicht der Gastgeber, die nach dem frühen Rückstand durch Guido Burgstaller (6.) regelrecht zerbröselten und sich von eiskalten Schalkern überrumpeln ließen. Schon nach 45 Minuten leerte sich die Nordkurve zusehends. Bayers Trainer Tayfun Korkut hatte vor der Partie gesagt, dass jetzt ein "absolutes Zeichen" gesetzt werden müsse. Das hat die Mannschaft getan, klar und deutlich. Die Botschaft: Bayer 04 kann keinen Abstiegskampf. Wie auch? Seit der Katastrophen-Saison 2002/2003, in der die Werkself nur knapp dem Abstieg entkam, war man nicht mehr in den Niederungen der Tabelle unterwegs.

Bayer 04 Leverkusen - FC Schalke 04: Einzelkritik
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Leverkusen - Schalke: Einzelkritik

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Foto: dpa, fg soe

"Drei Endspiele" habe die Werkself nun noch vor sich, sagte Jonathan Tah. Er kam nach 20 Minuten für Toprak in die Partie, der einen Bänder-Teilanriss im linken Sprunggelenk erlitt — sein Einsatz in Ingolstadt ist gefährdet. Zu dem Zeitpunkt war das Spiel bereits verloren. "Mir fehlen die Worte, ich kann es nicht erklären", gab ein konsternierter Stefan Kießling zu Protokoll. Der Routinier hatte den 1:4-Ehrentreffer (69.) markiert. "Wir stecken ganz dick drin im Schlamassel. Es muss in den Kopf von jedem Einzelnen rein, dass wir gegen den Abstieg spielen." Das Team müsse sich seine Erfolgserlebnisse durch Leidenschaft und Willen erarbeiten. "Aber wir haben keine Zeit mehr."

Völler: "Das ist eine Kopfsache"

Beim Blick auf das Restprogramm bekommen in der Tat nicht nur Fans ein mulmiges Gefühl. Der Abstand auf den Relegationsplatz könnte nach dem 31. Spieltag zusammenschmelzen. Als nächstes steht am kommenden Samstag das Kellerduell gegen den FC Ingolstadt an, ehe der Erzrivale aus Köln in die BayArena kommt. Zum Abschluss der Saison geht es dann noch nach Berlin. Sportchef Völler, der Trainer Tayfun Korkut eine Jobgarantie bis zum Saisonende gab, äußerte Verständnis für die Fanproteste. Die Enttäuschung sei bei allen Beteiligten groß. An die Mannschaft richtete er deutliche Worte: "Das ist eine Kopfsache. Wir müssen herausfiltern, wer diesem Druck gewachsen ist und dann müssen die spielen, die mit dieser Situation umgehen können."

Bundesliga 16/17: Das Restprogramm der Abstiegskandidaten
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Das Restprogramm der Abstiegskandidaten

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Foto: ap, mm

Bleibt die Frage, auf wie viele Spieler das überhaupt zutrifft. Gegen Schalke erreichte im Grunde keiner Normalform. Die Abwehr war wackelig, die Offensive ineffektiv. Die Körpersprache einiger Akteure hatte mit Abstiegskampf ebenfalls nichts zu tun. Wie genau Korkut den Hebel in der kommenden Woche umlegen will, bleibt rätselhaft. Klar ist: Mit der "Leistung" gegen Schalke ist auch in Ingolstadt nichts zu holen. Die Bilanz des 43-Jährigen auf der Bayer-Bank ist verheerend: sechs Punkte aus acht Partien in der Bundesliga, dazu ein torloses Remis gegen Atlético Madrid. Nur einen Sieg konnte Korkut feiern — beim Schlusslicht in Darmstadt.

Der Trainer machte auch den "brutalen Spielverlauf" für die desolate Leistung seiner mit Nationalspielern gespickten Elf verantwortlich. Immerhin sei man gut in die Partie gestartet, aber habe die Möglichkeiten nicht genutzt. "Die Gegentore hätten wir mit Sicherheit besser verteidigen können", räumte er ein. "Danach hat man uns die Verunsicherung angesehen." Schönzureden gebe es an dem 1:4 aber nichts. "Die Mannschaft hat keine Erfahrung mit Abstiegskampf. Wir müssen uns allen dieser Situation stellen." Das hatte der Coach allerdings schon unter der Woche mehrfach gefordert — offensichtlich vergeblich.

Vielleicht ist mit der Aussprache zwischen Fans und Team ein erster Schritt Richtung korrekter Realitätswahrnehmung getan. So oder so stehen Korkuts Team stürmische Wochen in der Bundesliga bevor, ehe im Sommer eine schonungslose Analyse stattfinden muss. Es ist überaus ungemütlich geworden in Bayers Komfortzone.

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