Nach persönlicher Bestweite Kugelstoßer Schmitt darf nicht zum Dopingtest

Düsseldorf/Köln · Kugelstoßer Thomas Schmitt hat seine Bestmarke um 2,28 Meter verbessert. Dabei sei alles mit rechten Dingen zugegangen, sagt sein Verein. Seine Technik ermöglicht diese enorme Steigerung.

Die Ruhe bewahren - wie ein Mantra steht das am Anfang jedes Stoßes von Thomas Schmitt. Der 26-Jährige hat am Wochenende beim Frühjahrswerfertag in Übach-Palenberg (Kreis Heinsberg) an der niederländischen Grenze eine Sensationsweite von 21,35 Metern gestoßen. Und das direkt zu Saisonbeginn. Damit verbesserte Schmitt seine Bestleistung um 2,28 Meter. Im Jahr 2013 hatte er 19,07 Meter gestoßen.

"Bevor ich in den Ring gehe, besinne ich mich auf mich selbst", sagt Schmitt. So hat er es auch in Übach-Palenberg gemacht, obwohl die Wettkampfbedingungen - bei sechs Grad und Nieselregen - nicht die besten waren. Schmitt tritt dort jedes Jahr an. Sein Heimatort Kerpen liegt in der Nähe.

Die Einstellung zum Wettkampf ist mindestens ebenso wichtig wie die richtige Technik. Das sagt auch der sportliche Leiter seines Vereins "Leichtathletik-Team Sporthochschule Köln", Norbert Stein. Dort trainiert Schmitt zweimal täglich. Der 26-Jährige studiert Physik an der Universität Köln. Gerade schreibt er seine Masterarbeit im Gebiet der Laborastrophysik. "Thomas ist ein Kopfmensch", sagt Stein. "Er ist wie alle diese Menschen hochsensibel. Deswegen ist die psychologische Komponente nicht zu unterschätzen." In Übach-Palenberg gab es keine Konkurrenz und keine hohen Erwartungen. Die Situation war wie ein fortgesetztes Training. Da konnte Schmitt, ohne viel zu überlegen, an den Start gehen.

Als Physik-Student kennt sich Schmitt mit der Bewegung von Körpern im Raum aus. Vielleicht hat er sich deswegen entschieden vor etwa zweieinhalb Jahren von der in Deutschland weiter verbreiteten Angleittechnik auf die Dreh-Stoß-Technik umzusteigen. Darin sieht der sportliche Leiter einen weiteren Grund für die unglaubliche Steigerung. Die Dreh-Stoß-Technik sei komplexer und schwieriger zu lernen.

Im Wesentlichen besteht der Unterschied in der Art der Bewegung. Die Dreh-Stoß-Technik ist eine Rotationsbewegung, mit der es gelingt, sehr viel Schwung vom Körper auf die Kugel zu übertragen. Stimmen der Abstoßwinkel und der Abstoßmoment, können große Weiten erzielt werden. Allerdings sei diese Technik anfälliger für Fehler. "Viele Versuche gehen auch daneben, die Athleten treffen die Kugel nicht richtig, können den Stoß nicht abfedern und fallen aus dem Ring", erklärt Stein. Im Übrigen sei Schmitts Stoß keine so große Überraschung für den Verein gewesen. Im Training habe er öfter schon die 20 Meter geschafft.

Auch die körperlichen Voraussetzungen erklären die enorme Leistung. Schmitt hatte wegen einer langwierigen Handverletzung im Winter bei Wettkämpfen pausiert und nur trainiert. Eine neue Trainerin arbeitete vor allem an seiner Schnelligkeit und Kraft. Um die Hand zu schonen, übte Schmitt mit leichteren Kugeln und feilte auch an seiner Diskuswerftechnik, seine zweite Leidenschaft. Außerdem nahm der 140-Kilo-Mann zehn Kilogramm ab. "Auf das Last-Kraft-Verhältnis kommt es an", sagt Stein. "Ein Kugelstoßer darf nicht zu schwer sein, aber muss starke Muskeln haben."

Schon in den ersten Versuchen hatte Schmitt in Übach-Palenberg seine eigene Bestmarke übertroffen. Er schaffte 19,44 und 19,94 Meter. "Mir wäre es fast lieber gewesen, wenn es dabei geblieben wäre", sagt Stein. Denn mit seinem rekordverdächtigen Ergebnis habe Schmitt eine Lawine losgetreten. Er steht in der aktuellen Weltjahresbestenliste auf dem zweiten Rang. Seine Leistung war sofort unter Verdacht, nicht sauber erzielt worden zu sein. Deswegen hatte Schmitt eine Stunde nach dem Wettkampf bereits die Nationale Anti-Doping-Agentur (Nada) verständigt und um einen Test gebeten. Auch der Deutsche Leichtathletik Verband forderte einen Tag darauf eine Dopingkontrolle.

Bislang hat die Nada Schmitt nicht getestet. Schmitt sei zum Zeitpunkt des Wettbewerbs nicht im Testpool der Nada gewesen, teilte eine Sprecherin auf Anfrage mit. Außerdem könne sich ein Athlet nicht wünschen, wann und wo er kontrolliert werde. Stein findet dieses Verhalten unfassbar und wirft der Nada vor, Schmitt nicht vor dem Verdacht zu schützen. "Ich bin so sicher, dass Thomas sauber ist, dass mein Vertrauen in seinen Grundfesten erschüttert würde." Der Verein will Schmitt jetzt helfen im Hinblick auf seinen nächsten Wettkampf locker und entspannt zu bleiben. Stein: "Der nächste Wettkampf wird der schwerste seines Lebens."

(RP)
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