Konkurrenz zum Fußball Wir backen uns ein Sport-Event

Düsseldorf · Der Fußball ist in Deutschland ein Selbstläufer. Andere Sportarten müssen dagegen kreativ sein, wollen sie eine Veranstaltung erfolgreich bestreiten. Ein Patentrezept hierfür gibt es nicht, wohl aber erfolgversprechende Faktoren.

 Ein Geheimrezept für ein funktionierendes Sportevent gibt es nicht. Man muss experimentieren.

Ein Geheimrezept für ein funktionierendes Sportevent gibt es nicht. Man muss experimentieren.

Foto: Zörner

Die Durchsage über die Lautsprecher an der Mühlenkopfschanze hat Tradition: "Bitte versuchen Sie nicht mehr, ins Festzelt zu kommen. Das ist schon seit Stunden rappelvoll. Besuchen Sie stattdessen bitte eine unserer schönen Kneipen in Willingen." Denn wenn in Willingen, der Kegeltour-, Junggesellenabschieds- und Mannschaftsfahrt-Hochburg im Sauerland, der Skisprung-Weltcup im Winter Halt macht, findet eine der am besten funktionierenden Sportveranstaltungen der Republik aus dem Nicht-Fußballbereich statt. Stellt sich die Frage: Was lockt fast 47.000 Fans an drei Tagen an?

Kombination aus Spitzensport und Party

Die Antwort: die perfekte Kombination aus Spitzensport und Party. Wer hier hinkommt, fiebert gerne mit den deutschen Adlern auf der Schanze, er frönt aber genauso gerne Bierchen, Schunkeln und zwischenmenschlicher Annäherung zu späterer Stunde. Die Veranstalter haben damit ihre Antwort auf die Frage gefunden, die Sebastian Uhrich, Professor am Institut für Sportökonomie und Sportmanagement der Sporthochschule in Köln, jedem nahelegt, der ein Sportevent plant: "Welchem Zuschauer kann ich welchen Nutzen bieten?" In Willingen sind das Wintersportbegeisterung und Feierwille. Beim CHIO in Aachen sind es Reitsportbegeisterung und der Faktor "Sehen und Gesehen werden". Beim Aachener Domspringen kommen jedes Jahr 6000 Zuschauer auf den Katschof, um vor dieser speziellen Kulisse Stabhochsprung zu erleben. "Es gilt, Konsumkapital aufzubauen, das heißt, den Besucher wertschätzen lernen lassen, was passiert", sagt Uhrich. "Es gilt also, nachhaltig eine Nische zu schaffen."

Der Fußball muss sich in Deutschland als einziger Sport keine Gedanken über eine Nische machen. Er funktioniert von allein. Als Volkssport Nummer eins, als allwöchentlicher Fixpunkt für Millionen Menschen. "Fußball wohnt ein hoher Nutzen inne, weil er für viele Menschen eine hohe Relevanz besitzt. Wegen des Spiels, wegen des gemeinsamen Erlebnisses, wegen des Rituals des Stadionbesuchs", sagt Uhrich - und warnt zugleich: "Das kann nicht jeder Sport schaffen, Tradition künstlich über Nacht zu schaffen, funktioniert nicht. Die anderen Sportarten müssen sich etwas einfallen lassen."

Eine dieser anderen Sportarten ist die Leichtathletik. Eine Sportart, der über die Jahre das gealterte Meeting-Publikum eher wegstarb, als dass es sich abwendete. Marc Osenberg organisiert in Düsseldorf das PSD-Bank-Meeting. In diesem Jahr zum zwölften Mal. Er behauptet nicht ohne Stolz: "Wir sind die am besten organisierte Leichtathletik-Hallen-Veranstaltung der Welt." Dabei ist die Halle im Arena-Sportpark klein, es passen nur 2000 Zuschauer rein. Doch Osenberg erklärt, welche Überlegung dem Meeting einst zugrunde lag und warum es, seiner Meinung nach, immer noch funktioniert. "Das Meeting haben wir von Anfang an als fernsehgerechte Veranstaltung angelegt. Eurosport ist als Partner im Boot, und die Sponsoren sind vom Preis-Leistungsverhältnis überzeugt."

Der TV-Faktor ist also Osenbergs Nische. Beim 2014 ins Leben gerufenen Hallen-Istaf in Berlin ist TV dagegen überhaupt kein Faktor. Hier zählen die 12.500 Zuschauer, die in die Arena kommen, um Diskuswerfen unterm Hallendach zu erleben und Musik-Auftritte. "Das Istaf Indoor ist ein Musterbeispiel in der Leichtathletik, es ist jetzt ein Selbstläufer", sagt Osenberg. Weil hier auch die Event-Präsentation stimme. "Und die ist wichtig", findet er. Genauso wichtig, wie "seine Möglichkeiten richtig einzuschätzen und seine Vorteile herauszustreichen". Natürlich sei am Ende jede Sportveranstaltung auch eine wirtschaftliche Sache, aber "Erfolg hat nichts mit Etat zu tun. Vielmehr braucht jede Veranstaltung etwas Besonderes. Das Domspringen in Aachen ist zum Beispiel in manchem Jahr sportlich herausragend und manchmal nur durchschnittlich, aber die 6000 Leute auf dem Katschhof machen eine derartige Stimmung, das spricht sich herum."

Man muss experimentieren

Ein Geheimrezept für ein funktionierendes Sportevent gibt es nicht. Man muss experimentieren. Aber Hüpfburg und Kinderschminken machen schon lange kein Event mehr aus. Und manche Mitmach-Aktion und Laser-Show ist schlicht langweilig. "Die Mehrheit der Dinge nutzt sich schnell ab. Mit halbgaren Entertainment-Elementen zu arbeiten, funktioniert nicht", sagt auch Sportwissenschaftler Uhrich. "Ein Blick zur erfolgreichen Konkurrenz kann dabei nicht schaden."

Dabei gilt: Was heute noch gut klappt, kann morgen anders besser klappen. "Man muss immer alles auf den Prüfstand stellen", sagt Osenberg. Er weiß, wovon er spricht. Denn er weiß, dass er im Fußball arbeiten müsste, wenn er Selbstläufer organisieren wollte.

(klü)
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