Streiks bei Lufthansa und Bahn Bund will Spartengewerkschaften einschränken

Düsseldorf · Erst die Bahn, jetzt wieder Lufthansa: Schlagkräftige Mini-Gewerkschaften überziehen das Land mit Streik. Die Politik will mit einem Gesetz zur Tarifeinheit Abhilfe schaffen.

Claus Weselsky (links) inmitten von Streikenden auf dem Hauptbahnhof in Dresden.

Claus Weselsky (links) inmitten von Streikenden auf dem Hauptbahnhof in Dresden.

Foto: dpa, mhi pzi

Sie haben oft nur wenige Mitglieder, die sitzen dafür aber in den Betrieben an machtvollen Schaltstellen: In Deutschland gibt es mehrere sogenannte Spartengewerkschaften. Flugbegleiter, Fluglotsen, Klinikärzte und nicht zuletzt Piloten und Lokführer - wenn sie die Arbeit niederlegen, sind die Folgen meist drastisch. Lufthansa-Passagiere bekommen dies seit gestern wieder schmerzlich zu spüren.

Nach einem Index des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) treten die Spartengewerkschaften dabei besonders aggressiv auf. Die Forscher vergeben für Ereignisse wie Streiks in einem Tarifkonflikt Punkte. Die Auswertung von 134 Konflikten aus elf Branchen seit 2000 zeigt, dass Spartengewerkschaften durchschnittlich pro Tarifverhandlung auf 23 Konfliktpunkte kommen, Branchengewerkschaften auf nur 13. An der Spitze des Konfliktbereitschafts-Index steht die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL).

Dass sich die Strategie der GDL in höheren Tarifabschlüssen niederschlägt, ist nicht zu beobachten: "Betrachtet man den Zeitraum seit 2007 dann unterscheidet sich das Abschlussvolumen von GDL und EVG allenfalls geringfügig", erklärt Heiner Dribbusch, Gewerkschaftsexperte der Hans-Böckler-Stiftung. "Zugleich hat es in diesem Zeitraum auch keine ganz großen Tarifkonflikte mehr gegeben."

Dass die Bahn nun so stark von Streiks betroffen sei, kommt aus Sicht von IW-Tarifexperte Hagen Lesch nicht unerwartet: "Die GDL macht jetzt wahr, was sie bereits vor zehn Jahren angekündigt hat: Sie weitet ihren Organisationsbereich aus - und das kurz vor Toreschluss, also kurz bevor die Politik ihr mit einem Gesetz zur Tarifeinheit einen Riegel vorschiebt." Denn Schwarz-Rot bereitet ein Gesetz zur Tarifeinheit vor, wonach nur noch ein Tarifvertrag pro Betrieb gelten soll: Den Entwurf will Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) am 3. Dezember ins Kabinett bringen. Darin will sie ein Mehrheitsprinzip verankern: Für Arbeitnehmer in einem Betrieb, für die zwei konkurrierende Tarifverträge gelten, soll künftig nur noch der Vertrag gelten, der von der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern abgeschlossen wurde. Die Regierung rechnet allerdings mit Verfassungsklagen gegen die Neuregelung, da kleine Gewerkschaften ihr Streikrecht beeinträchtigt sehen.

Neben den verfassungsrechtlichen Bedenken gibt es noch ein weiteres Problem: "Bei den Piloten würde ein Tarifeinheitsgesetz wohl nichts bringen", sagt IW-Experte Lesch. "Bei der Lufthansa verhandelt nur die Vereinigung Cockpit über die Pilotengehälter. Deshalb müsste der Gesetzgeber nach der rechtlichen Regelung der Tarifeinheit auch über ein Arbeitskampfrecht nachdenken. Darin könnte beispielsweise für die Daseinsvorsorge eine Schlichtung vorgeschrieben werden."

Ein solcher Vorstoß kommt auch vom CDU-Wirtschaftsrat. Dessen Generalsekretär Wolfgang Steiger sagte unserer Zeitung: "Wir haben in Deutschland sehr gute Erfahrungen mit Schlichtungen gesammelt. Wenn der Gesetzgeber die Tarifvertragsparteien vor Streiks zu Schlichtungen verpflichtet, werden ausufernde Streiks in Zukunft eher vermieden." Bei den beiden aktuellen Streiks habe man den Eindruck, dass die Verhandlungsführer auch gegenüber ihren Mitgliedern nicht von ihren überzogenen Forderungen herunterkommen. "Da können Schlichter auch helfen, über Gesichtsverluste wegzukommen", so Steiger. Zudem fordert der CDU-Politiker klarere Regeln zur Verhältnismäßigkeit. "Denn die Kollateralschäden für den gesamten Wirtschaftsstandort übersteigen jedes vernünftige Maß."

Rückendeckung gibt es für die Vorstöße der Union auch von der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA): "Es gibt zur Zeit viele verschiedene Vorschläge, um das Arbeitskampfrecht in bestimmten Bereichen gesetzlich zu ordnen. Dazu kann auch die Regelung eines verpflichtenden Schlichtungsverfahrens mit offenem Inhalt gehören", sagte ein BDA-Sprecher. "Solche Schlichtungsverfahren können auch die Tarifvertragsparteien selber vereinbaren, wie es bereits in vielen Tarifverträgen geschieht."

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Doch bis ein solches Gesetz kommt, dürfte noch viel Zeit vergehen. Für den festgefahrenen Tarifkonflikt bei der Bahn, bei dem es vor allem um die Zuständigkeit der beiden Gewerkschaften geht, empfiehlt Böckler-Experte Dribbusch den jüngsten Vorstoß der EVG: "Ich halte den Vorschlag, sich zusammenzusetzen und miteinander zu klären, wer in welcher Berufsgruppe wie viele Mitglieder hat, für einen klugen Ansatz, um die Kuh vom Eis zu bringen. Dabei würde wohl herauskommen, dass die GDL klar bei den Lokführern die Mehrheit hat und für diese sprechen kann. Für die übrige Belegschaft eher nicht."

(mar/maxi)
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