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Automesse Iaa Die Zukunft der Mobilität

Selbstfahrende Fahrzeuge werden den Verkehr verändern - doch viele Deutsche fürchten sich vor ihnen.

Frankfurt Der gelbe Kleinbus Cube kann fast alles: Er fährt automatisch, bremst automatisch, erkennt automatisch, wenn Fahrgäste in seinem Inneren aufstehen. Nur das mit der Tür, das haben sie beim Automobilzulieferer Continental noch nicht hingekriegt. Bevor die Testfahrt in dem autonomen Elektro-Taxi losgeht, müssen die beiden Türen manuell geschlossen werden. Per Knopfdruck - ganz altmodisch.

Durch die Digitalisierung wird sich der Verkehr der Zukunft verändern. Wie, darum geht es auch bei der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA), die in dieser Woche in Frankfurt startet. Wie, darum geht es aber auch einige Kilometer entfernt vom Messegelände beim Automobilzulieferer Continental, der an seinem Frankfurter Standort den Cube entwickelt.

"In den Fahrzeugen der Zukunft verschmelzen Büro und Wohnzimmer zu neuartigen, individuellen Lebensräumen auf Rädern", sagt Conti-Chef Elmar Degenhart: "Wir wollen den Menschen mit unseren Lösungen zeigen, wie ihnen intelligente und vernetzte Mobilität neue Gestaltungsräume eröffnen kann."

Bislang fahren auf dem Frankfurter Conti-Gelände zwei Cubes auf einer definierten Strecke. Dabei überwacht das Fahrzeug unter anderem mit Hilfe von vier Radarsystemen permanent die Umgebung. Sechs Sitze hat das Fahrzeug, das sich per Smartphone rufen lässt. Ein Lenkrad gibt es nicht mehr, für den Werkstattbetrieb haben die Conti-Techniker aber einen Controller der Spielekonsole xBox angeschlossen. Auch andere Elemente aus dem klassischen Fahrzeug sind verschwunden, Außenspiegel zum Beispiel. Und ein Scheibenwischer hält nur das Glas vor der kleinen Kamera unterhalb des Dachs von Regen frei statt die komplette Scheibe.

Der Cube könnte an Flughäfen als Shuttle-Bus eingesetzt werden - oder in Großstädten dabei helfen, den Verkehr zu entlasten. "Je komplexer die Umgebung ist, desto länger wird es dauern, bis sich Fahrzeuge wie der Cube durchsetzen", sagt Matthias Strauß, Projekt-Ingenieur bei Continental, während der Rundfahrt: "Die größte Herausforderung ist es, die Dinge in den richtigen Kontext zu setzen. Der Klassiker ist: Links die Grundschule, rechts der Eiswagen." Der Mensch wisse, dass man hier lieber langsamer fährt, weil Kinder über die Straße rennen könnten. Das Fahrzeug stelle diesen Zusammenhang nicht automatisch her. Besonders präzises Kartenmaterial und künstliche Intelligenz könnten dabei jedoch helfen.

Langfristig könnten autonome Fahrzeug-Flotten daher helfen, den Verkehr ganz anders zu organisieren. Pendler könnten auf das Auto verzichten und stattdessen mit der Bahn fahren. Bislang ist das für viele auch deswegen unattraktiv, weil sich die Fahrzeit durch häufiges Umsteigen und Warten zu sehr verlängert. Digitale Technik könnte dies ändern. Schon jetzt greifen in Großstädten wie Düsseldorf viele auf Carsharing-Angebote wie Car2Go oder die Elektroroller-Flotte von Eddy zurück. Autonom fahrende Fahrzeuge könnten für zusätzliche Optionen sorgen.

Beim Fahrdienstanbieter Uber bedauert man deshalb, dass ausgerechnet im dicht besiedelten NRW so wenig bei innovativen Verkehrskonzepten passiert. "Das Ruhrgebiet wäre als Ballungsraum prädestiniert für Pilot-Programme", sagt Deutschland-Chef Christoph Weigler.

In den USA und anderen Ländern wie Indien sind die Uber-Fahrzeuge längst zu einer Alternative zum klassischen Taxi geworden, in Deutschland aus rechtlichen Gründen jedoch nicht. Denn das Modell, bei dem selbstständige Fahrer für das Unternehmen unterwegs sind, ist umstritten - und verstieß hierzulande auch gegen geltendes Recht. In Deutschland ist Uber daher mit einem angepassten Modell nur noch in Berlin und München aktiv.

Christoph Weigler war da noch nicht im Amt. "Bei Uber war man überrascht, wie kompliziert sich der Markteintritt hierzulande darstellte, da Deutschland international als sehr innovativ gilt.", sagt er: "Aber der Rechtsrahmen ist hier sehr restriktiv. Das haben wir anfangs unterschätzt und Fehler gemacht. Aber wir haben dazugelernt."

Der schlechte Ruf von Uber ist für das Start-up eine Hürde, die rechtlichen Rahmenbedingungen aber noch viel mehr. Denn da hat sich bislang wenig in Deutschland geändert - mit der Folge, dass viele Zukunftskonzepte inzwischen woanders ausprobiert werden.

In den USA testen Unternehmen wie Uber bereits autonom fahrende Fahrzeuge. In Deutschland herrscht dagegen noch große Skepsis. Knapp jeder Dritte kann sich auf gar keinen Fall vorstellen, einem autonom fahrenden Fahrzeug komplett die Kontrolle zu überlassen, ergab eine Umfrage der Unternehmensberatung EY. Auch im Bundestagswahlkampf spielen Themen wie die Mobilität von Morgen, abseits der Diskussionen um den Diesel, keine große Rolle. Weigler bedauert das: "In Deutschland konzentriert sich die Diskussion um die Zukunft der Mobilität sehr stark auf das Elektroauto. Dabei gibt es daneben noch weitere wichtige Bereiche wie Sharing-Modelle und autonome Fahrzeuge."

Ärgerlich ist das auch für Firmen wie Conti. Doch die finden Lösungen: Fahrzeuge wie der Cube fahren dann eben zuerst in Schanghai oder Delhi statt in Düsseldorf oder Bonn.

(frin)
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