Berlin Experten fordern weitere Investitionen bundesweit

Berlin · Besonders häufig sitzen der frühere Co-Chef der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen, und der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Reiner Hoffmann, wohl nicht nebeneinander. Mit dem Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung DIW, Marcel Fratzscher, hatten sie gestern in Berlin aber ein gemeinsames Ziel: die Bundesregierung sowie die 16 Ministerpräsidenten der Länder zu mehr Investitionen in Deutschland zu drängen.

Als Mitglieder der Expertenkommission im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums betonten sie, dass es trotz erster Erfolge weiterhin "signifikanten Handlungsbedarf" gebe. So sei die Umsetzung eines Fünf-Punkte-Plans dringend geboten. Dieser sieht unter anderem die Bildung einer Investitionsrücklage vor, aus der auch längerfristig Ausgaben etwa von den Kommunen finanziert werden können. Dazu sei auch zu prüfen, inwiefern das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern verändert oder abgeschafft werden müsse. Angesichts der sprudelnden Steuereinnahmen seien Investitionen jetzt sehr viel wichtiger, als etwa Steuersenkungen in Aussicht zu stellen, sagte Fratzscher. An dieser Stelle ist der Wirtschaftswissenschaftler klar auf Linie seines Auftraggebers, Bundeswirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel. Die Union - mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) als Speerspitze - hatte hingegen leichte Steuersenkungen für die kommende Legislaturperiode angekündigt.

"Deutschland lebt nach wie vor von der Substanz", beklagte Fratzscher. Die Investitionsschwäche dauere trotz guter konjunktureller Lage an. Allein bei den Kommunen sei ein Investitionsstau von 140 Milliarden Euro aufgelaufen. Angesichts dessen sollte der Großteil der staatlichen Etatüberschüsse - das DIW rechnet aktuell mit über 20 Milliarden Euro im Jahr - für Investitionen verwendet werden, forderten die Experten. Sie schlugen außerdem vor, den europäischen Investitionsplan von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zu stärken und zeitlich auszudehnen. Darüber hinaus beklagen sie ein immer stärkeres Auseinanderklaffen der finanziellen Ausstattung südlicher und nördlicher Bundesländer. Im Süden werde deutlich mehr investiert als im Norden, analysierten die Experten - das müsse sich ändern. Lob gab es unterdessen für erste Erfolge beim Bürokratieabbau und für die Schaffung einer Infrastrukturgesellschaft. Die müsse aber in öffentlicher Hand und offen für privates Kapital sein.

(jd)
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