Karl-Josef Laumann im Gespräch "Unsere Ärzte verdienen nicht zu wenig"

Düsseldorf · Der NRW-Gesundheitsminister lehnt im Interview mit Azubis der AOK Rheinland/Hamburg eine Honorarangleichung für Kassen- und Privatpatienten ab - und erläutert sein Rezept gegen einen Hausärzte-Mangel.

 NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (Archivbild).

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (Archivbild).

Foto: Tinter Anja

Sollten Arzthonorare für Privat- und gesetzlich Versicherte angeglichen werden, wie es die SPD fordert?

Laumann Ich habe im Gesundheitssystem viele Sorgen, aber mein Eindruck ist nicht, dass unsere Ärzte zu wenig verdienen. Die Honorare angleichen ist schwierig und würde zu großen Verwerfungen führen. Auch wenn man die Honorare für Privatpatienten absenken würde, kann man den Patienten nicht verbieten, Geld auf den Tisch zu legen, um sich eine Leistung zu kaufen - etwa eine Zusatzversicherung abzuschließen. Gesetzlich Versicherte müssen Medizin und Pflege auf dem modernsten Stand erhalten und Arzttermine, wenn es notwendig ist, schnell bekommen. Und so ist es ja meist auch, wenn es um dringende Facharzttermine geht. Es entspricht nicht der Realität, dass ein gesetzlich Versicherter auf eine wichtige Untersuchung monatelang wartet. Wenn es etwa um Blut im Stuhl und den Verdacht auf Darmkrebs geht, hat man in der Regel innerhalb von ein paar Tagen einen Termin für eine Darmspiegelung. Wer das allerdings zur routinemäßigen Vorsorge machen will, kann nicht erwarten, in drei Tagen einen Termin zu bekommen.

Würde eine Honorarangleichung nicht zu einer gleichmäßigeren Verteilung von Ärzten in Städten und auf dem Land führen?

Laumann Nein. Dass wir in den Ballungsgebieten zu viele Ärzte haben und in ländlichen Regionen zu wenige, liegt eher daran, dass in der Ärzteausbildung der Facharzt für Allgemeinmedizin zu sehr vernachlässigt wurde. Dabei ist gerade die Versorgung auf dem Land hausärztlich geprägt. 2016 sind rund 450 Hausärzte in den Ruhestand gegangen, während nur etwas mehr als 200 aus dem Ausbildungssystem nachfolgten. Dabei ist mehr als die Hälfte der Hausärzte in Westfalen bereits über 60 Jahre, und mehr als die Hälfte im Rheinland ist über 50. Wir brauchen auch Fachärzte, aber es brennt zurzeit am meisten in der hausärztlichen Versorgung. Wenn man Ärzte aufs Land locken will, muss man über unterschiedliche finanzielle Anreize nachdenken.

Was tun Sie?

Laumann Wir wollen, dass alle medizinischen Fakultäten in Nordrhein-Westfalen eine Professur für Allgemeinmedizin haben. Bisher gab es das nur an der Uni Düsseldorf. Jetzt kommen zwei neue in Bonn und Bochum dazu. Zudem wollen wir noch in diesem Jahr bei der Landarzt-Quote zu einer Lösung kommen. Wir vergeben dann bis zu zehn Prozent unserer Medizin-Studienplätze an Bewerber, die zusagen, nach der Ausbildung in einem unterversorgten Gebiet tätig zu werden. Wir werden an der Universität Bielefeld eine neue medizinische Fakultät mit 300 Studierenden aufbauen und so die Zahl der Medizin-Studienplätze im Land auf rund 2300 erhöhen. Diese Fakultät wird einen Schwerpunkt in Allgemeinmedizin haben. Nur: Eine Arztausbildung dauert zehn Jahre, und so viel Zeit haben wir nicht mehr. Daher überlegen wir gemeinsam mit Krankenkassen, Ärztekammern und Ärzteverbänden, wie wir ältere Ärzte etwa aus Krankenhäusern dazu bewegen können, als Hausärzte tätig zu werden.

Wäre es für ländliche Gebiete eine Lösung, wenn Patienten häufiger per Internet in Videochats einen Arzt konsultieren könnten?

Laumann Es gibt ein Fernbehandlungsverbot. Aber ich gehe davon aus, dass der Deutsche Ärztetag die Richtlinien verändern wird. Das ist auch richtig. Ich will die Telemedizin jedoch nicht nach Stadt und Land aufteilen. Ich will überall eine gleichwertige Versorgung. Telemedizin wird daher wohl eher in der Konsultation zwischen Arzt und Fachärzten und Krankenhäusern eine große Rolle spielen, zum Beispiel indem Befunde in Online-Konferenzen von unterschiedlichen Ärzten begutachtet werden. Darin steckt gewaltiges Potenzial. Bislang herrscht noch Skepsis dem gegenüber, weil viele im Gesundheitssystem Transparenz scheuen, nach dem Motto: Der andere soll gar nicht wissen, was ich mache. Wir brauchen mehr Vertrauen im Gesundheitswesen, und das könnte aus mehr Transparenz erwachsen.

Was halten Sie von einer elektronischen Gesundheitskarte, auf der die Krankengeschichte gespeichert ist?

Laumann Die Entwicklung ist bisher eine Katastrophe gewesen. Gegenüber einer Karte von vor 30 Jahren gibt es heute eine Neuerung: Auf der Karte ist jetzt ein Foto. Und dafür haben wir eine Milliarde ausgegeben. Ich begrüße allerdings, dass mit dem Aufbau der Telematikinfrastruktur hier in Nordrhein-Westfalen begonnen wurde und wäre froh, wenn die elektronische Gesundheitskarte mehr könnte und zum Beispiel gespeichert wäre, welche Medikamente ein Patient nimmt. Das würde mehr Sicherheit bei der Verordnung weiterer Medikamente bedeuten. Auch dass man ein Rezept heutzutage noch in Papierform beim Arzt abholen oder sich per Post schicken lassen muss, ist nicht zeitgemäß.

In Bottrop soll ein Apotheker Krebsarznei gestreckt haben. Was haben Sie getan, um Patienten zu schützen?

Laumann Dieser Fall ist nicht durch die Apothekenaufsicht aufgeflogen, sondern durch einen mutigen Mitarbeiter, der seinen Chef angezeigt hat. Wir haben als Konsequenz die Kontrolldichte erheblich erhöht. Wir kontrollieren alle Apotheken, die patientenindividuelle Krebsmedikamente herstellen, jetzt unangemeldet und werden die Ergebnisse auch veröffentlichen. Und wir haben veranlasst, dass unangemeldet Proben gezogen werden. Das hat es früher nicht gegeben.

Das Interview führten Alexis Lens, Katrin Detges, Anja Steinbach, Nadja Janssen und Melanie Kleta.

(RP)
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