Tausende bei Demonstration Opel prüft offenbar Verkauf des Werkes Eisenach

Rüsselsheim (RPO). Bangen und Hoffnung zugleich lagen am Donnerstag in Rüsselsheim in der Luft. 20.000 Opel-Beschäftigte kämpften vor der Konzernzentrale des Traditions-Autobauers um eine Zukunft ohne General Motors und ihre Arbeitsplätze. Jetzt wurde bekannt, dass dem Autohersteller Opel angeblich die Zerschlagung droht.

Eine Chronik der Opel-Krise
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Foto: AP

Nach Informationen der "Financial Times Deutschland" prüft das Unternehmen den Verkauf seines Werkes im thüringischen Eisenach. Als möglicher Käufer sei der Autokonzern Daimler im Gespräch. Erste Kontakte zwischen den Unternehmen habe es nach Informationen der Zeitung schon gegeben.

Ungewiss sei dagegen die Zukunft des Werks Bochum. "Bochum ist das größte Problem", habe es in Kreisen der Bundesregierung geheißen. Die Werke Rüsselsheim und Kaiserslautern könnten dagegen als Teil eines neuen europäischen Opel-Konzerns erhalten bleiben, die deutsche Fahrzeugproduktion würde damit in Rüsselsheim konzentriert. Dieses Konzept habe sich nach Informationen der Zeitung in den vergangenen Tagen in Gesprächen mit dem amerikanischen Opel-Mutterkonzern General Motors, Opel und anderen deutschen Herstellern herauskristallisiert.

Opel will der Bundesregierung am Freitag einen Rettungsplan vorlegen. Ein Teil des Konzepts soll dem Bericht zufolge die Gründung einer europäischen Aktiengesellschaft sein. Das verbleibende Europageschäft von General Motors würde demnach von der US-Mutter abgekoppelt und in die neue AG eingebracht.

Die Politik hatte einen Sanierungsplan zur Voraussetzung für eventuelle Staatshilfen gemacht. Umstritten ist, wie Bund und Länder dem Unternehmen helfen könnten. Diskutiert werden Bürgschaften, Kredite und ein direkter Einstieg des Staates bei dem Traditionsunternehmen. Gewerkschaftsangaben zufolge braucht Opel 3,3 Milliarden Euro zum Überleben.

Unterdessen hat Opel-Chef Hans Demant Gerüchte zurückgewiesen, dass der Finanzbedarf langfristig bei 8 bis 9 Milliarden Euro liegen werde. Demant sagte am Donnerstag in Rüsselheim nach einem Gespräch mit hessischen FDP-Landesvorsitzenden Jörg-Uwe Hahn: "Ich weiß nicht, wer da irgendwelche Zahlen zusammengezählt hat, diese Summe ist jedoch absurd überhöht."

Hoffnung bei Opelanern

Das Motto bei den demonstrierenden Opelanern am Donnerstag war: "Yes we can besser ohne GM". Die Arbeitsplätze vieler von ihnen sind wegen der Krise der US-Mutter General Motors (GM) in Gefahr.

Dennoch gibt die bedrohliche Lage den Opelanern auch ein gewisses Maß an Hoffnung: Nach 80 Jahren unter dem Dach des US-Konzerns scheint die Trennung von der wenig geliebten Mutter näher denn je - und damit die Möglichkeit, die Zukunft Opels eigenständig zu gestalten. "Unser Ziel ist eine weitgehende Unabhängigkeit von GM", sagt Peter Giesser, seit 34 Jahren Betriebsrat bei Opel. Andernfalls drohe Opel, mit in den Abgrund gerissen zu werden.

Wirklich goldene Jahre hat der traditionsreiche deutsche Autobauer schon lange nicht mehr gesehen. Giesser erinnert sich noch gut an die 70er Jahre, als Opel an seinem Stammsitz 45.000 Menschen beschäftigte. Heute sind es noch 17.000. Dennoch sieht der Arbeitnehmer-Sprecher in der derzeitigen Krise auch eine große Chance für seinen Arbeitgeber, zu dem er loyal steht. "Opel ist nach wie vor gesund, die derzeitige Krise ist die Krise der Mutter".

Ginge es nach Giesser und dem Willen vieler seiner Kollegen, wäre Opel in Kürze ein eigenständiges europäisches Unternehmen, zusammen mit seiner britischen Schwestermarke Vauxhall. "Wir können nur eine europäische Lösung anstreben, weil Opel alleine nicht überleben kann." Damit ist Giesser ganz auf einer Linie mit dem europäischen Betriebsratschef Klaus Franz.

Opel braucht jedoch Zugriff auf die Technologie und Patente, die bei der US-Mutter liegen. Auch im Einkauf wird das Rüsselsheimer Unternehmen weiter auf GM angewiesen bleiben. Fahrzeugteile werden günstiger, je größer die eingekauften Stückzahlen sind - Opel alleine könnte keine wettbewerbsfähigen Preise aushandeln. Eine vollständige Trennung von GM scheint daher nur schwer vorstellbar.

Dennoch künden die Banner der Demonstranten vor der Opel-Zentrale - dem Adam-Opel-Haus - vom neu erwachten Selbstbewusstsein in Rüsselsheim: "Yes we can - besser ohne GM", steht auf einem der Spruchbänder. Bis zu 18.000 Opelaner sind nach Schätzung des Betriebsrates zu der Massenkundgebung gekommen. Auch von anderen deutschen Standorten sind sie angereist. In Bochum fuhr schon morgens um sieben Uhr der Bus in Richtung Rüsselsheim.

Über all der Zuversicht der Opelaner schweben die Ankündigungen der krisengeschüttelten US-Mutter GM zu einem geplanten Stellenabbau wie ein Damokles-Schwert. Der US-Konzern will weltweit 47.000 Arbeitsplätze streichen - 26.000 davon außerhalb der Vereinigten Staaten. Sogar das Aus für einzelne Standorte oder deren Verkauf schließt der taumelnde Auto-Gigant aus Detroit nicht aus. Darüber, wie hart die Einschnitte aber tatsächlich werden und wen sie treffen, hüllt sich der Konzern noch in Schweigen.

Betriebsratschef Franz sieht deswegen nur im Einstieg fremder Geldgeber bei dem Rüsselsheimer Autobauer einen Ausweg - und hier habe es in den vergangenen Tagen viele positive Signale gegeben. So habe der Verband der europäischen Opel-Händler, Euroda, angekündigt, Unternehmensanteile an Opel für mehrere hundert Millionen Euro übernehmen zu wollen. Auch in der Belegschaft gebe es eine große Bereitschaft, sich mit Geld an Opel zu beteiligen.

GM könnte in Zukunft Minderheitsaktionär von Opel bleiben, schlägt Franz vor. Aber er setzt auf andere Anteilseigner, um das Rüsselsheimer Traditionsunternehmen in eine bessere Zukunft zu führen: "Nach 80 Jahren ist die GM-Tochter Opel jetzt volljährig, es besteht nun die Möglichkeit, sie jetzt in die Freiheit zu entlassen."

(AFP)
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