Undercover-Rechereche Zalando verklagt Wallraff-Reporterin

Bespitzelung, Psycho-Terror und Leistungsdruck bis an die Grenze des gesundheitlich Erträglichen – der Bericht der Undercover-Reporterin Caro Lobig wirft ein denkbar schlechtes Licht auf den Versandhändler Zalando. Das Unternehmen reichte gegen die Darstellungen Klage ein.

Reporterin filmt bei Zalando mit versteckter Kamera
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Bespitzelung, Psycho-Terror und Leistungsdruck bis an die Grenze des gesundheitlich Erträglichen — der Bericht der Undercover-Reporterin Caro Lobig wirft ein denkbar schlechtes Licht auf den Versandhändler Zalando. Das Unternehmen reichte gegen die Darstellungen Klage ein.

"Schrei vor Glück", so lautet der populäre Werbeslogan des Versandhändlers. Was aber die Aufnahmen und Berichte der Reporterin Caro Lobig in einem Bericht für RTL-Extra aus dem Logistikzentrum in Erfurt erzählen, passt so gar nicht dazu. Demnach werden Mitarbeiter systematisch unter Druck gesetzt, müssen bis zu 27 Kilometer am Tag auf den Beinen sein, ohne sich zwischendurch setzen zu dürfen, erhalten rigide Anweisungen des Führungspersonals.

Betriebsgeheimnisse

Drei Monate lang recherchierte Lobig undercover, unterstützt wurde sie von Günther Wallraff und seiner Stiftung. Der Kölner Investigativ-Reporter sei ihr Vorbild, erzählte Lobig dem Sender RTL in einem Interview. Und genau wie so oft in den spektakulären Recherchefällen Wallraffs endet die Auseinandersetzung nun vor Gericht.

Wie das Handelsblatt berichtet, erstattete Zalando Anzeige gegen Lobig, nachdem ihre Tarnung aufgeflogen war. Das Unternehmen wirft der Reporterin den Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen vor. "Diese Anzeige halten wir aufrecht. Wir müssen verhindern, dass unsere Prozesse und Systeme, die wir zum Teil auch selbst entwickelt haben, irgendwo auf Film verfügbar sind", zitierte das Handelsblatt einen Sprecher des Unternehmens.

"Schrittlänge von einem Meter"

In einer ausführlichen Darstellung geht Zalando zudem konkret auf einzelne, wenn auch nicht alle Vorwürfe ein. So äußert Zalando erhebliche Zweifel an der angeblich mit einem Schrittmesser erfassten Laufweite von 20 oder gar 27 Kilometern. Die Messung impliziere eine Schrittlänge von einem Meter. Üblicherweise lege ein Mitarbeiter in den Lagerhallen nur 10 bis 15 Kilometer zurück.

Auch dass medizinische Hilfe verweigert worden sei, will das Unternehmen so nicht stehen lassen. Während der Schichten sei ein Betriebsarzt im Haus, in Notfällen werde selbstverständlich ein Rettungsarzt gerufen. Auch andere Vorwürfe bemüht sich Zalando auszuräumen und dementiert oder relativiert: Diebstahlkontrollen gebe es nur in Einzelfällen, IT-System dienten nur der Überwachung von Logistik-Prozessen, "Feedbackgespräche" sollten Mitarbeiter nicht unter Druck setzen, sondern fördern.

So steht derzeit Aussage gegen Aussage. Lobig reichte Gegenklage ein: "Mitarbeiter, die Missstände öffentlich machen, können nicht mit fristloser Kündigung bestraft werden", heißt es laut Handelsblatt bei RTL. In dem Rechtsstreit geht es somit allerdings nicht um die Darstellungen in Lobigs Reportage, sondern arbeitsrechtliche Fragen.

(pst)
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