Interview mit Oliver Burkhard, NRW-Chef der IG Metall "Warnstreiks in Düsseldorf"

Düsseldorf · Der Vorsitzende der IG Metall NRW, Oliver Burkhard, droht im Interview mit unserer Redaktion mit Arbeitskämpfen. Er will am Mittwoch bei der nächsten Verhandlung auch bei den Themen Azubi-Übernahme und Leiharbeiter hart bleiben.

 Oliver Burkhard, Chef der IG Metall in NRW, zeigt sich kampfbereit.

Oliver Burkhard, Chef der IG Metall in NRW, zeigt sich kampfbereit.

Foto: dpa, Marius Becker

Verdi hat beim öffentlichen Dienst auf eine aggressive Streik-Taktik gesetzt. Im Mai endet bei Metall die Friedenspflicht. Wie groß ist die Streikbereitschaft für die 6,5 Prozent?

Burkhard Wir haben zwar die Chance, das ohne Streiks hinzubekommen. Es kommt aber auf die Verhandlungen an und derzeit sind die Arbeitgeber äußerst unbeweglich.

Weshalb Sie diese als Faultiere bezeichnet haben: Putzig, aber lethargisch. Wie putzig ist Arbeitgeberpräsident Horst-Werner Maier-Hunke?

Burkhard Es ist bekannt, dass ich Herrn Maier-Hunke sehr schätze. Trotzdem vertreten wir in diese Runde sehr unterschiedliche Positionen. Ich meine jedoch, dass wir in einem grundsätzlichen Punkt nicht so weit auseinander sind: Die Produktion ist wieder auf Vorkrisenniveau, die Erträge sind da, die Beschäftigten haben Anspruch auf einen fairen Anteil. Wenn beide Seiten diese Einschätzung teilen, müsste man sich beim Geld doch verständigen können — bevor es zu Streiks kommt.

Die Arbeitgeber stoßen sich vor allem an Ihren anderen Forderungen: unbefristete Übernahme der Azubis und Mitspracherechte bei der Leiharbeit.

Burkhard Da wir keine Krise mehr haben, können wir diese Fehlentwicklungen geraderücken. Das stößt auf Widerstand, weil die Arbeitgeber um ihre lieb gewonnene Flexibilisierung bangen.

Sie haben schon 2011 Verhandlungen über beide Punkte aufgenommen. Haben Sie sich mit diesem langatmigen Prozess einen Gefallen getan?

Burkhard Ja, weil so früh deutlich wurde, dass das für uns keine Modethemen sind, die man uns für ein paar Zehntel unserer Lohnforderung abkaufen könnte. Wir meinen das ernst. Außerdem haben wir dadurch das Thema bei den Mitgliedern verankert. Jeder Funktionär würde aus dem Stehgreif ein 20-minütiges Wortgefecht mit den Arbeitgeber über Leiharbeit und Übernahme bestreiten.

Beginnen Sie künftig immer mit frühen Gesprächen über Themen jenseits der Entgelterhöhung?

Burkhard Jede Zeit hat ihre Forderung. Natürlich wird auch in künftigen Tarifrunden das Thema Geld die zentrale Rolle spielen. Es gibt kein Automatismus, so prinzipielle Themen wie Übernahme und Leiharbeit reinzunehmen, aber da brauchen wir jetzt die Lösungen.

Bei den Gesprächen am 18. April wollen die Arbeitgeber ein Angebot vorlegen. Wie optimistisch sind Sie?

Burkhard Es ist uns angekündigt worden, dass es zu allen drei Themen ein Angebot gibt. Das ist erfreulich. Ich rechne aber nicht damit, dass uns das Angebot zufriedenstellt.

Womit wir wieder bei Warnstreiks wären. Schließlich sind abgesehen von dem nächsten Treffen keine weiteren mehr in Zeiten der Friedenspflicht angesetzt.

Burkhard Dass es keinen weiteren Termin im April gibt, hängt mit der Hannovermesse zusammen. Das sind keine streiktaktische Überlegungen.

Die Kollegen in Bayern und auch IG-Metall-Vize Detlev Wetzel reden aber schon davon, dass Warnstreiks vorbereitet werden. Sind die weiter als die IG Metall in NRW?

Burkhard Nein, keine Sorge. Auch wir überlegen nicht erst am letzten Tag der Friedenspflicht, was für Aktionen möglich sind. Wenn wir bis Anfang Mai kein Ergebnis erzielen, haben wir alle viele Termine etwa in Düsseldorf und Köln, bei denen auch ich die Warnstreik-Rede halten werde.

Zumal sich Warnstreiks gut auf die Mitgliederzahlen auswirken. Verdi hatte in der Arbeitskampfphase bis zu dreimal mehr Mitgliedsbeitritte.

Burkhard Das freut mich für die Verdi.

Bei einem Auftritt vor Azubis haben Sie Ihre Haltung zur unbefristete Übernahme als kompromisslos bezeichnet. Sollten Sie mit dieser Forderung scheitern, könnte das zu massiver Enttäuschung bei den Jungen führen.

Burkhard Es ist ein schmaler Grat. Aber ich möchte, dass die jungen Menschen wissen, dass die IG Metall es ernst mit ihnen meint. Übernahme ist kein Thema unter Ferner liefen. Im Stahl haben wir das schon durchgesetzt und ich halte das auch für möglich bei Metall und Elektro.

Und doch sperren sich die Arbeitgeber.

Burkhard Wir haben die gleichen Angebote gemacht wie beim Stahl: Es gibt definierte Ausnahmetatbestände, bei denen nicht übernommen werden muss. Kein Unternehmen wird überfordert. Deshalb ist die Weigerung der Arbeitgeber nicht nachvollziehbar.

Sind Sie beim Thema Leiharbeiter ähnlich kompromisslos.

Burkhard Auch wenn alle zu wissen meinen, dass am Ende ein Kompromiss herauskommen wird, für Leiharbeiter zählt mehr Fairness. Wir fordern gleiche Bezahlung und die Klarheit, dass Leiharbeit nicht reguläre Beschäftigung ersetzt. Deshalb pochen wir auf mehr Mitbestimmung.

Die Arbeitgeber fürchten, dass ein flexibles Instrument kaputt gemacht wird, wenn sie immer erst beim Betriebsrat um Erlaubnis fragen müssen.

Burkhard Das glaube ich nicht. Die Flexibilität bleibt erhalten. Wir wollen ja nicht die Leiharbeit verbieten. Aber es darf nicht dazu kommen, dass das Verhältnis von Stammbelegschaft und Leiharbeitern auf den Kopf gestellt wird.

Die Bertelsmann-Stiftung hat gerade Zahlen herausgebracht: Danach wurde in Betrieben, die Leiharbeiter eingesetzt haben, Stammbelegschaft aufgebaut. Wie passt das mit Ihren Horrorszenarien zusammen?

Burkhard Ich will nicht ausschließen, dass es solche Fälle auch gibt. Das liegt aber vor allem an den Konzernen: Volkswagen hat im vergangenen Jahr mehrere Tausend Leute eingestellt. Viele waren vorher Leiharbeiter. Da hat es enorme Bewegungen gegeben. Aber das ist natürlich auch ein enorm mitbestimmtes und bestens organisiertes Unternehmen. Dort sind unsere drei Forderungen verwirklicht: ordentliche Bezahlung, Mitbestimmung und zeitliche Begrenzung. Aber in vielen Unternehmen kommen wir eben noch nicht auf diese Effekte. Die meisten Leiharbeiter haben in der Tendenz oft 50 Prozent weniger Lohn. Das hält kein System auf Dauer aus.

Wird der Fachkräftemangel das Thema nicht überflüssig machen?

Burkhard Das möchte man vermuten. 60 bis 70 Prozent der Betriebe bauen wieder überwiegend die Stammbelegschaft auf. Aber es gibt immer noch zwischen 30 und 40 Prozent, die Intensivleiher sind. Da ist schon von Stammleiharbeitern die Rede — für mich das Unwort des Jahres.

Wie gestalten sich die zeitgleich angesetzten Verhandlungen mit den Leiharbeitsunternehmen über eine Angleichung der Bezahlung an das Niveau der Stammbelegschaft?

Burkhard Schwierig. Die Metall-Arbeitgeber haben uns in der letzten Verhandlung erklärt, dass sie erst einen Abschluss machen wollen, wenn wir mit den Leiharbeitsunternehmen zu Ende verhandelt haben. Sie begründen das damit, dass sie auch den Abschluss für die Leiharbeiter bezahlen müssen. Das wäre ja fast so, als würde sich der Abiturient darauf verlassen, dass der Zweitklässler ihm die Mathearbeit schreibt. Denn die recht jungen Leiharbeitsverbände üben sich scheinbar eher noch im Verhandeln.

Wie weit sind die Gespräche?

Burkhard Wir liegen extrem weit auseinander. Die niedrigeren Entgeltgruppen sollen erst nach sechs Monaten einen Branchenzuschlag bekommen. Während die anderen Gruppen diesen schneller erhalten. Je weniger man bekommt, desto später profitiert man vom Branchenzuschlag. Das ist albern. Solange ich mich mit den Leiharbeitsunternehmen über solchen Nonsense streiten muss, dauern die Verhandlungen länger. Wir wollen die Zuschläge ab dem ersten Tag.

(pst)
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