Berlin Zalando will 500 Millionen an Börse einsammeln

Berlin · Im Herbst will der Online-Händler an die Börse gehen. Das soll das Wachstum ankurbeln. Aber Anleger gehen ein hohes Risiko ein.

Klappern gehört zum Handwerk - und das gilt besonders für den an die Börse strebenden Online-Händler Zalando aus Berlin. "100 Tage Rückgaberecht", so wirbt das Unternehmen auf seiner Internetseite - das soll die Bestelllust gerade junger Leute anheizen. "Zalando mit starkem Ergebnis im ersten Halbjahr 2014", verkündete der Vorstand am 28. August - in Wahrheit war es gerade gelungen, wenigstens im operativen Geschäft 35 Millionen Euro an Überschuss zu machen - nach Abzug von Steuern und Zinsen sowie Aktienoptionen für die Manager schreibt Zalando wohl weiter tiefrote Zahlen.

Auch beim gestern angekündigten Börsengang für diesen Herbst tritt Zalando selbstbewusst auf: Das Kapital soll um rund zehn Prozent erhöht werden. Das soll mindestens 500 Millionen Euro in die Kasse spülen. Damit käme Zalando mit seinen rund 7000 Mitarbeitern auf einen Börsenwert von fünf Milliarden Euro. Das wäre fast so viel, wie die Lufthansa wert ist, deutlich mehr als der Chemiekonzern Lanxess mit rund 30 000 Mitarbeitern - die Internetwirtschaft zeigt nun also auch in Deutschland ihre Stärke.

"Schrei vor Glück" lautet das Hauptwerbemotto von Zalando. Und tatsächlich können sich Gründer, Manager und Inhaber mächtig auf den Börsengang freuen. Die leitenden Mitarbeiter erhalten einen Anteil ihres Gehalts in Aktienoptionen - geht alles gut, sind sie schon bald relativ wohlhabend.

Das gilt erst recht für die Besitzer: Haupteigentümer mit 37 Prozent ist die schwedische Beteiligungsfirma Kinnevik, deren 37 Prozent künftig wohl mehr als zwei Milliarden Euro wert sind. Die Tengelmann-Gruppe kommt auf fünf Prozent der Aktien - das wären rund 250 Millionen Euro. Und die aus Köln stammenden Brüder Alexander, Oliver und Marc Samwer erreichen mit ihren 17 Prozent an Zalando-Anteilen einen Wert von knapp 800 Millionen Euro. Zusätzlich Kasse wollen sie im Herbst machen, wenn ihre auch in Berlin sitzende Firmen-Holding "Rocket Internet" auch noch an die Börse geht. Sie peilt ebenfalls einen Börsenwert von rund fünf Milliarden Euro an.

Zwei Fragen stellen sich mit dem Börsenstart von Zalando: Was bedeutet er für den Markt und die Kunden? Sollten Anleger Papiere kaufen? Dabei hängen beide Fragen eng zusammen: Zalando will das neue Kapital allein nutzen, um in weiteres Wachstum zu investieren. In Deutschland, Österreich und der Schweiz hat der Konzern bereits die meisten Wettbewerber abgehängt und kommt im operativen Geschäft auf eine Marge von immerhin 4,6 Prozent - das ist angesichts der hohen Ausgaben für das Marketing und die Logistikzentren bei Berlin und in Mönchengladbach eine gewisse Leistung.

Doch die relativ gute Position in den deutschsprachigen Ländern reicht nicht aus. Um irgendwann profitabel zu sein, muss Zalando deutlich größer werden als der Jahresumsatz von erwarteten etwas mehr als zwei Milliarden Euro für dieses Jahr.

Denn nur bei einem viel größeren Geschäftsvolumen lassen sich weitere Rabatte beim Einkauf durchsetzen. Nur so können die eigenen Kollektionen breit vermarktet werden. Nur nur so rentieren sich auch die hohen Ausgaben für Technologie: So hat Zalando eine App für Smartphones entwickelt, mit der Kunden im Geschäft anprobierte Kleidungsstücke per Barcode identifizieren können, um sie sofort per Handy zu bestellen. "Zalando wird zum Angstgegner des stationären Einzelhandels", schrieb dazu die "Wirtschaftswoche" - viele Einzelhändler sind empört, wenn Teenager bei ihnen zwar Ware anschauen, aber das Geld beim digitalen Herausforderer lassen.

Schnell wachsen oder untergehen, lautet am Ende die Losung für Zalando. 2008 erfolgte die Gründung in Deutschland. 2009 folgten die Schweiz, Niederlande und Frankreich. Aktuell sucht Zalando in 14 Ländern Europas nach Kunden. Zuletzt waren es laut Firmenangaben 13,7 Millionen Kunden.

Sind sie treue Käufer oder könnten sie jederzeit zu Otto, Amazon oder einem Onlineshop von Peek & Cloppenburg oder C&A wechseln? Ein Indiz für geringe Kundenbindung ist, dass Zalando viel Geld in Online-Werbung steckt - Laufkundschaft soll die Kasse füllen.

Außerdem hält die Firma steif am 100-tägigen kostenlosen Rückgaberecht für Waren fest, obwohl jede zweite Bestellung zurückgeschickt wird. Die Rücksendequote zu senken, sei kein Selbstzweck, erklärt Vorstand Rubin Ritter. Denn ohne Rückgaberecht würde deutlich weniger bestellt - Umsatz und Gewinn würden einbrechen.

Ein Zeichen von Stärke ist das nicht, aber Zalando ist noch am Anfang. Und Amazon und Ebay ging es am Anfang auch nicht viel besser.

(RP)
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