"Shadows In The Night" Bob Dylan singt Lieder von Frank Sinatra

Düsseldorf · Sein schönstes Album seit Jahren: Der 73-Jährige huldigt auf "Shadows In The Night" seinem großen Idol.

Bob Dylan gibt Konzert in Peking
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Bei kleinen Kindern gibt es das manchmal, dass sie jemanden verschwörerisch in ihr Zimmer bitten und dann die Schatzkiste öffnen, in der die wirklich wichtigen Sachen lagern, Herzensdinge mit einer Geschichte. Das ist ein Vertrauensbeweis, das ist schön und rührend, und genau so macht es Bob Dylan nun auch - obwohl er schon 73 Jahre alt ist. Dylan singt auf seiner neuen Platte "Shadows In The Night" Lieder von Frank Sinatra, die ihn ein Leben lang begleiten. Er klingt ehrfürchtig dabei, so berauscht von Wehmut und Erinnerungslust, dass man ihn sich im Studio nicht anders als mit glühend roten Wangen vorstellen kann.

Wie bei jedem neuen Album von Dylan regen sich viele Fans auch über dieses ziemlich auf. Wie der Meister so einen Schmalz singen kann: Sinatra! Und dann sieht das Cover auch noch aus wie einst die Hüllen des Smooth-Jazz-Labels Blue Note. Man darf indes nicht viel auf die Bedenken der Dylanologen geben, denn diese Produktion ist Dylans schönste und zugänglichste seit dem Meisterwerk "Time Out Of Mind" aus dem Jahr 1997. Zudem ist sie seine persönlichste, und wer neulich den Fan beneidet hat, dem Dylan in Philadelphia ein Privatkonzert für zwei Ohren gegeben hat, muss nun nicht mehr neidisch sein: Diese Coverversionen scheint Dylan jedem Hörer persönlich zuzueignen, so intim muten sie an.

Dylan hat offenbar die Stimmbänder über Nacht in Rosenöl eingelegt. Das rachitische Bellen und den Rachendrachenraspelhusten der letzten Alben hört man jedenfalls nicht mehr, stattdessen ein Hauch von "Lay Lady Lay" aus dem Jahr 1969. Dylan schmeichelt und flüstert, manchmal singt er sogar. Und auch wenn ihm das Gefällige vor allem in den Höhen deutlich schwerer fällt als vor 46 Jahren, passt das narbige Organ des Nostalgikers gut zu den Liedern - sie handeln ja allesamt vom Versehrtsein und Weiserwerden. Die Arrangements sind angenehm zurückhaltend. Viele Popstars nehmen irgendwann Stücke aus dem Great American Songbook auf und protzen mit Orchester und dicker Streichersoße. Dylan macht das Gegenteil, er entkernt die Stücke aus der Feder von Irving Berlin und Rodgers & Hammerstein, reduziert die Begleitung auf Standbass und Pedal-Steel-Gitarre. Das Schlagzeug kommt nur ab und an zum Einsatz, und man muss den Anfang von "Autumn Leaves" hören, die wispernde Gitarre, deren Akkorde im Hintergrund vorüber wehen: Das ist zart, das ist raffiniert, es ist großartig.

Dylan gab zur Veröffentlichung des Albums der Zeitschrift mit der höchsten Auflage der Welt ein Exklusiv-Interview. Dem US-Rentner-Magazin "AARP" verriet er also, warum er seit seiner Jugend in Minnesota diese Lieder und ihren größten Interpreten so verehrt: "Ich mag den Plauderton. Sinatra sang für dich, nicht auf dich ein. Ich will auch für jemanden singen."

Und so spürt man den Respekt, mit dem Dylan sich Klassikern wie "I'm A Fool To Want You" und "Full Moon And Empty Arms" nähert. Er befreit sie vom Ballast der Jahre, von allen Zuschreibungen. Er verwandelt sie in Country-Balladen, behandelt sie, als wären sie neu. Es ist eine Landnahme: Dylan erkundet ein Milieu, das außerhalb seines Einflussbereichs liegt. Er inszeniert die Suche nach der verlorenen Zeit. Zehn Songs hat er gefunden, geborgen und in seine Schatzkiste gelegt.

Nun zeigt er sie uns.

(hols)
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