"Rosenkavalier" in Antwerpen Christoph Waltz' diskretes Opern-Debüt

Antwerpen · Im Opernhaus Antwerpen debütierte der Schauspieler Christoph Waltz als Regisseur. Mit seiner Inszenierung von Richard Strauss' "Rosenkavalier" begeistert der Hollywood-Star durch Stille und Präzision.

Christoph Waltz als "Rosenkavalier" in Antwerpen
Foto: Bob van Mol

"Wien, Wien, nur du allein" heißt ein bekanntes Wienerlied. Dessen Melodie führte ein seltsamer Weg nach Hollywood — in die Filmmusik zu Kubricks "Eyes Wide Shut". Darin ist es nicht direkt zu erkennen, wie überhaupt einige Österreicher in den USA darauf achten, nicht als Österreicher erkannt zu werden. Arnold Schwarzenegger etwa hat sich die Steiermark so fachmännisch abtrainiert, dass man glauben mag, er sei als US-Republikaner auf die Welt gekommen.

Der Hollywood-Star Christoph Waltz hingegen ist in Österreich so verwurzelt, dass er seine Geburtsstadt Wien den Nabel seines Lebens nennt. Ohne das Wiener Wurzelwerk seines Stammbaums ist Waltz nicht zu denken, und wenn er jetzt seine erste Opernregie vorlegt, war vorab klar, dass er ein Stück wählen sollte, dass mit Wien allein zu tun hat. Da bot sich natürlich der "Rosenkavalier" von Richard Strauss an, der im Wien um 1740 spielt.

Waltz' Inszenierung an der Antwerpener Vlaamse Opera ist so leise, dass man sie erst nicht wahrnimmt. Der Anfang wirkt fast konventionell, wie die Feldmarschallin in einem schmucklosen Schlafzimmer aus der Rokoko-Zeit erst den Octavian, danach die Entourage empfängt — und dabei so großäugig-fragend aussieht wie die junge Catherine Deneuve. Erst langsam geht einem auf, dass hier jemand von außen sehr genau auf dieses Vieleck der Liebe geschaut hat, dessen Koordinaten im "Rosenkavalier" minütlich verschoben werden. Dieser Schauende muss der Regisseur sein.

Waltz hat Glück, denn die Besetzung hilft ihm bei der kammerspielhaften Überlegung, wie Gefühle auf Wanderschaft oder ins Pfandhaus gelangen. Weil Maria Bengtsson als Feldmarschallin mit 38 Jahren unverschämt jung ist, unverschämt gut aussieht und auch noch mitreißend singt, kann man verstehen, was der junge Octavian (den Stella Doufexis mit glühender Attacke und herrlich fiebrigem Blick singt) an ihr findet. Waltz hat erkennbar hart gearbeitet: Welcher Blick ist wann erlaubt? Wann dürfen Lippen beben, wann nicht? Wann ist die Trauer über den Verlust am stärksten — im ersten oder im dritten Akt? Und wie rein ist Octavians Liebe zu Sophie (leuchtend: Christiane Karg)?

Waltz gönnt sich und uns bei den Antworten keine Nonchalance und verbittet sich jedwede Maskerade durch die Dekoration. Alles reduziert er auf den Blick, auf die Körperhaltung — und das gewährt uns ein rundum stimmiges, diskretes Regiedebüt, das nicht durch geniale Einfälle besticht, sondern durch den atmosphärischen, von Akkuratesse beflügelten Geist der Präsentation. Es ist ein stiller, trotzdem wunderbar drastischer Moment, wenn Baron Ochs (bei Albert Pesendorfer eher ein zynischer Hallodri als eine mollige Dumpfbacke) nach dem Duell von der Jungfer Marianne den verwundeten Arm bepflastert bekommt — und wieder seinen Blick aufs Frischfleisch bekommt.

Im dritten Akt zeigt Waltz' Arbeit ihre Virtuosität offen; das Beisel ist meisterlich arrangiert — und bleibt doch im Schlafgemach. Dabei wird Waltz, der das Laute meidet, großartig unterstützt von Dmitry Jurowski am Pult des exzellenten Orchesters, der das Laute zuweilen sucht und Strauss' Glitzerlametta dabei wegfegt. So treffen sich Künstler von den Polen in der Mitte, gut fürs Werk. Dafür Ovationen.

(RP)
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