Düsseldorf Exquisit: Drei Ballette an einem Abend

Düsseldorf · b.19 in der Rheinoper ohne Schläpfer-Stück. Hans van Manen steht über allem.

Mit Erwin Schulhoffs warmer Streichermusik geht der Düsseldorfer Ballettabend b.19 an den Start, die Bühne ist in eiskaltes Licht getaucht. Der junge Choreograf Antoine Jully, der Düsseldorf Richtung Oldenburg verlassen wird, hat "Hidden Features" einstudiert. Als Uraufführung ist es eine kurzweilige tänzerische Umkreisung eines Themas aus der Neuen Welt. Jully treiben digitale Gedankenspiele um, er simuliert einen Virusbefall im PC. Dafür erfindet er Schrittfolgen, setzt kleine schnelle Laufbewegungen mit Sprüngen und märtyrerhaftem Kniegang aneinander.

Seine Tänzer toben wie wildgewordene Pixel durch technologische Landschaften. Sie tragen futuristische Kappen, der Bühnenhintergrund ist mit einem aus den Bewegungen generierten Video animiert. Aus dem Hintergrund erhebt sich schließlich eine überdimensionierte männliche Figur, die ihren Apfel zum Schluss an eine Frau verschenkt. Schön und sinnreich dieses Miteinander von Bits und Bytes.

Drei ganz verschiedene Arten von Tanzszenarien bietet b.19, zugleich stehen drei Verlustmeldungen auf dem Programmzettel: Es wird (leider) nur zu Musik vom Band getanzt, es gibt keine Schläpfer-Produktion, und die Ränge sind am Premierenabend ziemlich leer.

Mit großer Spannung blickt man auf den ersten historischen Rückgriff, Merce Cunninghams "Scenario" aus dem Jahr 1997. Den 2009 gestorbenen Tanz-Avantgardisten interessierte vor allem die Transformation des Körpers. In Düsseldorf erlebt man, wie durch die bauchigen und wulstigen Kostüme nach Rei Kawakubo derartige Transformationen noch gesteigert oder karikiert werden. In den farbenprächtigen Kleidern verlieren die Köper ihre Grazie, der Schwerpunkt ist verschoben. Es stockt und stoppt nach neutönenden Klängen des Japaners Takeshisa Kosugi.

Über Hans van Manen Neues zu berichten, erübrigt sich, fast alle Choreografien des großen Niederländers werden bei Youtube abgerufen. Nun aber sind seine Kreationen wie die "Große Fuge" live noch einmal so intensiv, ergreifend und unbedingt. Männer und Frauen verwickelt er in Spiele des Lebens – Spiele von Macht und Liebe. Dazu lässt er weiblich-weich und männlich-martialisch tanzen. In manchen dem Bodenturnen nicht unähnlichen Figuren umkreisen die Geschlechter einander. Stärke wird zu Schwäche. Den Erregungslinien der Musik folgt noch die allerkleinste Körperzuckung und entlockt ihr ein großes Geheimnis. Das ist Ballettkunst.

(RP)
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