Urteil gegen katholisches Krankenhaus Kündigung wegen Wiederheirat ist unwirksam

Erfurt (RPO). Katholische Einrichtungen dürfen Arbeitnehmer wegen einer erneuten Heirat nur entlassen, wenn sie bei vergleichbaren Mitarbeitern einheitliche Maßstäbe anlegen. Uneinheitliches und inkonsequentes Vorgehen spreche gegen ein ernstliches Interesse der Kirche an der religiösen Loyalität ihrer Mitarbeiter, entschied am Donnerstag das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt. Es hob damit die Kündigung eines Chefarztes auf.

Der Arzt arbeitete in einer katholischen Klinik in Nordrhein-Westfalen. Seine erste Ehefrau ließ sich von ihm scheiden. Zwei Jahre lebte er unverheiratet mit einer neuen Partnerin zusammen, ehe er diese 2008 standesamtlich heiratet. Als die Klinik davon erfuhr, wurde er entlassen.

Doch die Kündigung ist unwirksam, urteilte das BAG. Zwar lasse das kirchliche Selbstbestimmungsrecht eine solche Kündigung grundsätzlich zu. Die Belange der Kirche seien dabei aber gegen die des Arbeitnehmers abzuwägen.

Im Streitfall habe die Klinik selbst "auf ein durchgehend und ausnahmslos der katholischen Glaubens- und Sittenlehre verpflichtetes Lebenszeugnis ihrer leitenden Mitarbeiter verzichtet". So habe sie die Wiederheirat nicht katholischer Ärzten mehrfach hingenommen. Und vom klagenden Chefarzt habe die Klinik gewusst und hingenommen, dass er zwei Jahre lang ohne Trauschein mit seiner neuen Partnerin zusammenlebte.

Die Wiederheirat des Arztes gehöre aber zu dem ebenfalls grundrechtlich geschützten "innersten Bezirk seines Privatlebens". Angesichts der Umstände in der Klinik wögen diese Rechte und auch die seiner zweiten Ehefrau schwerer, urteilte das BAG.

Damit orientierten sich die Erfurter Richter an einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Das Straßburger Gericht hatte im September 2010 die Kündigung eines Essener Organisten und Chorleiters wegen einer außerehelichen Beziehung als Verstoß gegen dessen Grundrecht auf Privatleben gerügt.

Aktenzeichen: 2 AZR 543/10

(KNA/felt)
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