Interview mit Peter Blersch "Zeitarbeit bietet Chancen"

Düsseldorf · Interview Peter Blersch, Chef der Düsseldorfer Zeitarbeitsfirma DIS, über das Image der Branche, die Motivation der Belegschaft und seine Haltung zu einem Mindestlohn für Zeitarbeits-Unternehmen.

Herr Blersch, spürt die Zeitarbeitsbranche die Folgen der Eurokrise?

Blersch Wir haben keine gravierenden Probleme, Aufträge für die Beschäftigung unserer rund 9000 Mitarbeiter zu finden, die bei unseren Kundenunternehmen im Projekteinsatz arbeiten. Und die Zeitarbeitnehmer werden nach wie vor von unseren Partnern übernommen: ca. 20 Prozent wechseln über den sogenannten "Klebeeffekt" innerhalb eines Jahres in die Stammbelegschaften der Partnerfirmen.

Es gibt viele NRW-Konzerne mit Problemen. Merken Sie das nicht?

Blersch Nur indirekt. Wir erhalten für unsere Hauptverwaltung hier in Düsseldorf deutlich mehr Initiativbewerbungen als bisher. Als wir die Stelle eines Juristen ausschrieben, hatten wir innerhalb weniger Stunden mehr als zehn Anschreiben —und zwar auch von Mitarbeitern großer Firmen in der Region.

Eigentlich haben Zeitarbeitsunternehmen eher ein schlechtes Image.

Blersch Hier wird leider häufig sehr einseitig berichtet, doch man sollte nicht von schwarzen Schafen auf die ganze Branche schließen. Wir haben in den Befragungen des Great Place to Work Institutes sehr gute Bewertungen erhalten. Darum wurden wir in 2012 erneut als einer der besten Arbeitgeber Deutschlands prämiert. Wer eine flexible und zugleich erfüllende Beschäftigung in der Zeitarbeit bieten möchte, muss die Motivation der Menschen verstehen.

Was wollen heutige Beschäftigte?

Blersch Sie wollen wissen, dass sie für das Unternehmen wichtig und Teil des gemeinsamen Erfolges sind. Sie wollen, dass man ihnen vertraut. Und sie wollen, dass man ihnen Freiheiten gibt. Dazu gehören unter anderem Vertrauensarbeitszeit und Weiterbildung.

Warum verlässt jeder fünfte ausgeliehene Mitarbeiter die DIS pro Jahr?

Blersch Das liegt in der Natur und dem Sinn der Zeitarbeit: Einige nutzen die Zeitarbeit als Chance für den Wiedereinstieg nach der Arbeitslosigkeit, oder sie hatten gezielt für einige Zeit vom Arbeitsleben ausgesetzt — zum Beispiel als Mutter oder Vater eines Kindes. Viele Mitarbeiter wechseln auch von einer Festanstellung zu uns, um sich dann weiter zu orientieren. Und natürlich bieten wir vielen Hochschulabsolventen die Chance, sehr früh einen breiten Erfahrungsschatz aufzubauen. Das macht sie für andere Arbeitgeber sehr attraktiv. Und manche Mitarbeiter, die zu uns kommen, sehen uns als Etappenziel für den Einstieg bei ihrem Traum-Arbeitgeber.

Umso ärgerlicher, dass so viele Kollegen von Ihnen weggehen.

Blersch Das gehört zum Geschäftsmodell. Wir erhalten eine finanzielle Kompensation, wenn von uns entsandte Mitarbeiter in die Stammbelegschaft unserer Kunden wechseln. Wir haben ja häufig in deren Weiterbildung investiert, wie beispielsweise in unserer hauseigenen DIS Akademie und deren individuellen Schulungen und Weiterbildungsmaßnahmen, die wir anbieten. Oder über unsere online-basierte e-Learning-Plattform, die für alle Mitarbeiter kostenlos ist.

Wie hoch sind die Ablösesummen?

Blersch Das sind keine Ablösesummen, sondern Vermittlungsprämien, die sich an dem Monatsgehalt und der bisherigen Dauer des Projekteinsatzes orientieren.

Was halten Sie von der Einführung eines Mindestlohnes in der Zeitarbeitsbranche?

Blersch Wir begrüßen das. Denn wir halten nichts von Lohn-Dumping. Allerdings betrifft der Mindestlohn uns nur wenig: Wir vermitteln fast nur Fach- und Führungskräfte, beispielsweise Ingenieure oder Experten für das Rechnungswesen. Und da werden sowieso deutlich höhere Gehälter als die diskutierten Mindestlöhne gezahlt.

Ein Grund, warum manche Leute viele Jahre bei Ihnen bleiben?

Blersch Wir haben tatsächlich eine Stammbelegschaft unter den von uns vermittelten Beschäftigten. Die bleiben viele Jahre, weil sie immer wieder neue Aufgaben schätzen und weil sie sich von uns gut behandelt fühlen. Ein promovierter IT-Fachmann aus Irland blieb über 30 Jahre, weil er bei uns immer einen besonders langen Heimaturlaub nehmen konnte und in all den Jahren nie die Abwechslung vermissen wollte.

Gewerkschaften wie die IG Metall oder auch Verdi setzen momentan durch, dass Zeitarbeiter die gleichen Löhne erhalten wie Stammbelegschaften. Gut so?

Blersch Wie bereits erwähnt, sind wir auf Fach- und Führungskräfte spezialisiert. Wenn wir hier nicht sowieso attraktive Gehälter zahlen würden, könnten wir im Wettbewerb um die begehrten Fachkräfte gar nicht mithalten.

Drohen Arbeitsplatzverluste, wenn Zeitarbeiter zu teuer werden?

Blersch Wir werden sehen, wie der Markt auf die neuen Abschlüsse reagiert. Generell gilt, dass die Kombination von qualifizierten Fach- und Führungskräften in Verbindung mit Flexibilität immer eine hohe Bedeutung für Unternehmen haben wird.

Reinhard Kowalewsky und Georg Winters führten das Gespräch mit dem DIS-Chef

(RP/sap)
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