Städetreisen Brügge Besuch beim Star-Designer unter den Chocolatiers

Brügge · Schokolade mit Zwiebel-Speck-Füllung, oder als Lippenstift aufgetragen oder welche, die in die Nase hineingeschossen wird - all das kommt aus der mittelalterlichen Stadt Brügge. Denn die Hauptstadt West-Flanderns genießt den Ruf, Welthauptstadt der süßen Versuchung zu sein. Über 50 Pralinenmanufakturen findet man dort.

 Mit der Kutsche kann man die mittelalterliche Innenstadt Brügges mit ihren vielen Kanälen leicht erkunden.

Mit der Kutsche kann man die mittelalterliche Innenstadt Brügges mit ihren vielen Kanälen leicht erkunden.

Foto: brugge.be/Jan Darthet

Nicht alles, was im belgischen Brügge mit der Schokoladenherstellung zu tun hat, ist so abgedreht wie Dominique Persoones Schoko-Shooter, den er für die Rolling Stones entworfen hat und nun an jedermann verkauft. Anlass für die Erfindung einer Apparatur, die einen feinen Schokoladennebel direkt in die Nase schleudert, war die Geburtstagsparty der berühmten Band. Die Ehefrau von Ronnie Wood und Charlie Watts waren es, die den Chocolatier baten, sich für die Überraschungsparty etwas Witziges einfallen zu lassen. Er tat es und hat seitdem einmal mehr den Ruf, der Rockstar unter Flanderns Chocolatiers zu sein.

Michelin-Stern für Helium-Pralines und andere Kreationen

Pralinen mit einem Hauch von Tanne, solche, die mit Wasabi oder Heliumgas gefüllt sind oder gar mit knuspriger Hühnchenhaut, sind sicher nicht eines jeden Leidenschaft, haben dem 44-Jährigen jedoch einen Guide Michelin-Stern eingebracht. Damit ist ihm eines sicher gelungen: Den Ruf der Pralinen aus Omas muffigem Schrank zu vertreiben und ihnen ein modernes, nahezu rockig-neues Image zu verschaffen.

So verkauft Persoone im historischen Ambiente seines 1992 eröffneten Pralinengeschäfts auch Schokoschnupftabak für den Herren und zart schmelzenden Schokolippenstift für die Dame. Massagecreme aus Schokomasse steht im Laden Chocolate-Line auf der "Simon Stevinplein 19" neben neuen Kreationen wie der Coca-Cola-Praline, die unter einer Cola-Ganache mit einer zweiten Schicht aus Mandel-Nougat und einem Knuspereffekt aus Zucker überrascht. Ganz so, als habe man ein Glas der Erfrischungsbrause mit Fizz durch den Rachen gegurgelt. Solche Erfindungen mag auch der elfjährige Sohn Dominique Persoones. Eher beängstigend hingegen klingt Milchschokolade, die mit Speck gefüllt ist oder weiße Schokolade mit Safran und Curry kombiniert. Doch schwören Feinschmecker auf die ausgewogene Kombination zwischen salzig, cremig und knusprig.

Über 50 namhafte Schokoladen-Manufakturen

Es sind aber nicht nur die abgefahrenen Kreationen, des selbsternannten Schok-o-latiers, die Brügge zum Mekka für Schokoliebhaber machen. Klangvolle Namen wie Neuhaus oder Godiva und Zaabär haben der flämischen Stadt ihren Ruf gegeben. Über 50 namhafte Manufakturen zieren duftend mit ihren Kreationen und überquillenden Schaufensterauslagen Brügges Innenstadt. So auch der Chocolatier Dumont, der 1992 mit einer kleinen Produktion von Trüffeln startete, die er an umliegende Bäckereien und Konditoren verkaufte. 2013 zeichnete ihn der Gault Millau als einen der Top-Chocolatiers in Belgien aus.

Ein Muss in der Herstellung ist der "BruggeSweat", die offizielle Stadtpraline. Denn das flämische Städtchen ist eng verbunden mit dem königlichen Gefieder. Der Legende nach lehnten sich die Einwohner Brügges Ende des 15. Jahrhunderts gegen ihren Kaiser Maximilian von Österreich auf. Sie nahmen ihn und seinen Ratgeber Pieter Lanckhals — was so viel heißt wie Langhals — gefangen und kündigten schließlich an, Lanckhals hinzurichten. Der Kaiser sollte dabei zuschauen. Als Rache darauf zwang er die Bewohner zur Strafe für alle Zeiten die Schwäne — Langhälse der Stadt — zu pflegen. Die Brügger haben es verstanden und mit der Praline eine schmackhafte Angelegenheit daraus gemacht.

Bei der Schokoführung auch Mittelalter schnuppern

Wer sich einen Überblick über die lange Tradition verschaffen möchte, ist gut aufgehoben bei einer der Schokoladen-Führungen. Vorbei an den bedeutendsten Schokoladenfabriken, aber auch bekannten Sehenswürdigkeiten wie dem Burgplatz oder dem Glockenturm oder Rathaus geht es in der zweistündigen Führung einmal quer durch die Vergangenheit des Orts an den feuchten Poldern von Flandern. Durch enge Gassen hindurch vom steten Pferdegetrappel und dem monotonen Poltern vorbeifahrender Kutschen angehalten, kommen Besucher in der von Kanälen durchzogenen Innenstadt ihr eigenes Bild von der mittelalterlich geprägten Stadt. Die Unesco stellte die Innenstadt unter den Schutz des Weltkulturerbes.

Damit in dieser malerischen Atmosphäre der Gedanke an die braun-schmelzende Süßigkeit wach gehalten wird, endet die Schoko-Führung natürlich im dazugehörigen Museum. "Choco-Story" nennt sich modern das, was Geschichte zeigt: Das Herstellungsverfahren der belgischen Verführung, die Erfindung der Blockschokolade, Kännchen und Tassen aus der das braune Gold standesgemäß serviert wurden und den Weg von der Kakaofrucht über ihre Bohnen bis zum fertigen Produkt. Über all dem liegt unzweifelhaft der Duft der Masse, um die es an diesem Ort — übrigens einer alten Weinstube — geht. Genascht werden darf in der Schaufabrik natürlich auch.

Kulturangebot wie eine Großstadt

Nur nimmersatte Schokoladenfreunde kann am nächsten Tag dann noch ein Schokomenü in die "Oude Burg" oder das "Maximilian von Österreich" locken. Vielleicht ist ein zweiter Tag, den Kunst und Kultur prägen ein bewegender Ausgleich für die Schlemmerei am Vortag. In der nur 117.000 Einwohner zählenden Stadt findet sich jedenfalls ein Kulturangebot, das es mit dem einer Großstadt aufnehmen könnte. Museen wie das Groeningmuseum oder das Diamentenmuseum sind einen Besuch wert im Voraus geplant lassen sich für den Abend im modernen "Concertgebouw" Konzertkarten ergattern.

(wat)
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