Rees Vor 40 Jahren ereignete sich ein Unglück, das alle Experten vorher für unmöglich gehalten hatten. Die Reeser Rheinbrücke stürzte

Rees · Ein Bauarbeiter nahm es damals mit Sarkasmus. „Jetzt ist unsere Arbeitsstelle wenigstens ein paar Monate länger gesichert“, sagte er lakonisch, nachdem sich kurz zuvor ein spektakuläres Unglück ereignete hatte, bei dem wie ein Wunder niemand ernsthaft zu Schaden gekommen war. Am 24. November 1966 war die Reeser Rheinbrücke beim Bau eingestürzt – plötzlich und ohne jede Vorwarnung.

Wie eine Fliegerbombe

Weder ein Knistern noch ein Reißen habe man gehört, berichteten Augenzeugen. Aus heiterem Himmel gab es auf einmal einen ohrenbetäubenden Krach, es hörte sich an, als wenn eine Fliegerbombe explodiert war. Zu beiden Seiten des Landpfeilers waren die Brückenteile wie morsches Holz zusammengeknickt. Ein Stück der Vorlandbrücke brach in zwei Teile. Wie ein Dach legte sich die gewaltige Stahl- und Betonmasse über einen Pfeiler. Direkt darunter arbeiteten in diesem Augenblick zwei Männer, die in panischer Angst aus der Gefahrenzone aufs freie Feld rannten und unverletzt blieben. Ein dritter Bauarbeiter stand oben auf der Fahrbahn und sah mit Entsetzen, wie vor seinen Füßen die Straße weggerissen wurde und in einer Wolke aus Mörtelstaub auf der Wiese aufschlug. Der Mann wurde nur leicht am Auge verletzt.

Das ganze Ausmaß der Katastrophe war erst am Morgen so richtig abzuschätzen. Das Unglück ereignete sich, als die Hilfsstützen unter der Brückenfahrbahn beseitigt werden sollten. Auf der linken Rheinseite hatte das problemlos geklappt, auf der rechten ging das Manöver offenbar schief. Nach der Ursache forschten die Experten noch monatelang. Denn ein solches Unglück hatte es bei Brückenbauten am Rhein noch nicht gegeben. Einen ähnlichen Fall hatte man allerdings kurz zuvor in Belgien erlebt, als dort eine Autobahnbrücke einstürzte. Professor Klöppel von der Technischen Hochschule Darmstadt kam schließlich zu dem Schluss, dass eine Lagerrolle infolge starker Temperaturschwankungen unbemerkt aus ihrer ursprünglichen Position gerutscht war.

Der Sachschaden lag bei rund drei Millionen Mark und die Fertigstellung der Brücke verzögerte sich dadurch fast um ein halbes Jahr. Nach zweiwöchiger Pause hatten erst einmal die Abbruch- und Aufräumarbeiten an der Unglücksstelle begonnen. Es dauerte aber noch Wochen bis der Brückenbau wieder planmäßig aufgenommen werden konnte. Zu neuen Zwischenfällen kam es nach dem Einsturz nicht mehr und Ende 1967 konnte Bundespräsident Dr. Heinrich Lübke die Reeser Rheinbrücke offiziell einweihen.

(RP)
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