Dormagen Ein intimes Kammerspiel in Zons

Dormagen · Das Leben der Kämpferin Hildegard von Bingen auf der Museumsbühne.

 Michael Ihnow und Heike Feist gelingt eine eindrucksvolle, intime Darstellung von Hildegard von Bingen.

Michael Ihnow und Heike Feist gelingt eine eindrucksvolle, intime Darstellung von Hildegard von Bingen.

Foto: Marcus Staab

Das war ein den Zuschauer forderndes, sehr intimes Kammerschauspiel in der Zonser Nordhalle. Rein gar nichts hatte es mit dem verballhornten Bild der Hildegard von Bingen zu tun, wie es heute bestenfalls als Heilkräuter- und Dinkelbrotfee zirkuliert. Bühne und Garderobe der beiden Schauspieler Heike Feist und Michael Ihnow waren auf das Allernotwendigste beschränkt. Trotzdem lohnte das intensive Zuschauen, und das Zuhören war bei den beiden Akteuren mit ihrer herausragenden Sprechkultur ohnehin ein großer Genuss. Ohne den hilfreichen chronologischen Faden ging bei diesem extrem mittelalterlichen und uns doch so nahen Lebensablauf nichts ab.

Hildegard sieht schon in sehr frühen Jugendjahren, was für andere gar nicht existiert. Sie ist anders, hochsensibel und im Übrigen kongenial von Heike Feist gespielt. Die nachmals Heilige entschließt sich, ihr Leben Gott zu weihen statt einem ungeliebten Mann angetraut zu sein. Ora et labora macht sie sich zur Richtschnur. Heike Feist und Michael Ihnow wechseln laufend ihre Identität. Mal ist sie die Schulmeisterin Jutta von Sponheim, mal ist ihr Schreiber Vollmar der Abt oder Bischof von Mainz. Hildegard sieht und hört mit ihrer Seele.

Meist kommen die Akteure mit sparsamsten Bewegungen und kleiner Gestik aus. Für uns Heutige klingt es so alt wie überraschend neu, wenn hier eine Frau dargestellt wird, "der Gott mit ihren Visionen Besonderes gegeben hat". Auch die auf die Bühne gebrachte Erkenntnis, "dass Gott mit allem verbunden ist", weckt Verwunderung. Immer ist es die von Männern bestimmte Kirche, die der Klostergründerin Grenzen aufzeigt. Aber es kommt auch nie zum Eklat wie bei den Auseinandersetzungen mit den Häretikern, denn Hildegard ist kämpferisch überzeugend.

Wie sie die strengen Regeln im Frauenkonvent lockert, Andachten verkürzt, das religiöse Übermaß beschränkt und das Klosterwesen gegenüber der Welt öffnet, ist frappierend. Mittlerweile theaterüblich, geht Hildegard auch durch die Zuschauerreihen, stellt hier eine Diagnose und gibt dort ein Medikament: "Ein geschundener Leib kann nie das Heim einer gesunden Seele sein." Das ist treffsicher gesagt, das ist zeitlos gedacht, und das hat diese Aufführung so lohnend gemacht.

(NGZ)
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