Tim-Thilo Fellmer Vom Analphabeten zum Buchautor von "Fuffi, der Wusel"

Dormagen · Der Frankfurter ist derzeit in der Kulturhalle zu Gast, um Grundschulkindern zu zeigen, wie wichtig es ist, Lesen und Schreiben zu können.

 Autor Tim-Thilo Fellmer

Autor Tim-Thilo Fellmer

Foto: H. Jazyk

Dormagen Tim-Thilo Fellmer hat als Kind nicht richtig Lesen und Schreiben gelernt. Nach elf Schuljahren machte er den Hauptschulabschluss und schloss eine Lehre zum KFZ-Mechaniker ab, aber erst mit Mitte 20 fand er einen Weg aus dem Analphabetismus. Heute ist der Frankfurter Kinderbuchautor zu Gast in der Kulturhalle.

Zu Ihren Lesungen werden mehrere hundert Grundschulkinder erwartet. Worauf können sie sich freuen?

Fellmer Ich beginne damit, dass ich den Kindern von mir erzähle. Dass ich erst als Erwachsener richtig Lesen und Schreiben gelernt habe und dass es mir als Kind keiner beigebracht hat. Aber auch, dass es eben ein Happy End gibt: Jetzt bin ich Kinderbuchautor. Dann frage ich die Kinder, ob sie hören wollen, wie gut ich jetzt lesen kann – und dann geht es mit Auszügen aus meinem Buch "Fuffi, der Wusel" weiter.

Wie reagieren die Kinder?

Fellmer Viele erzählen, dass sie auch jemanden kennen, der schon erwachsen ist, aber nicht gut lesen und schreiben kann. Oder sie sagen "ja, ich habe das auch" oder "ja, ich bin auch krank". Das ist traurig, denn natürlich ist eine Lese-Rechtschreib-Schwäche keine Krankheit. Ich möchte den Kindern zeigen: Wenn jemand, der erst als Erwachsener lesen und schreiben gelernt hat, heute Bücher schreibt – was soll sie dann daran hindern, es heute schon zu versuchen?

Geht es in Ihrem Buch auch um die Themen Lesen und Schreiben?

Fellmer Nicht direkt. Aber es geht um das Thema Anderssein, um Sich-Anvertrauen, um Hilfe-Annehmen. Ich habe unbewusst ein Stück meiner Lebensgeschichte in das Buch eingebracht – und die ist exemplarisch für viele Betroffene von Analphabetismus.

Wo liegt das Problem in den Schulen?

Fellmer Ich mache den Lehrern keine Vorwürfe. Sie stehen einfach immer noch viel zu großen Klassen gegenüber. Da ist die Förderung von Einzelnen sehr schwer. Und wenn in den ersten beiden Klassen nicht der Grundstein für Lesen und Schreiben gelegt wird, gehen die Kinder auf dem weiteren Weg einfach verloren.

Heute sind Lesen und Vortragen Ihr Beruf.

Fellmer Das kann ich manchmal kaum glauben. Früher wurde man belächelt, hatte Schamgefühl – das Leid war für mich so groß, dass ich ausbrechen wollte. Und so habe ich einen Alphabetisierungskurs der VHS belegt. Das ist auch mein Appell an andere Betroffene: Es ist nie zu spät, in jedem steckt die Fähigkeit zu lernen und sich zu entwickeln.

Isabelle de bortoli führte das Gespräch.

(NGZ)
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