Düsseldorf Schlange stehen für 143 Euro

Düsseldorf · An der Münsterstraße bekommen Flüchtlinge jeden Monat ihr Taschengeld. Aus den Unterkünften in der gesamten Stadt stehen sie dort an. Mit Kaffee und Brötchen aus dem Gute-Nacht-Bus bleibt die Stimmung dabei gut.

 143 Euro bekommen die Flüchtlinge maximal pro Monat ausgehändigt.

143 Euro bekommen die Flüchtlinge maximal pro Monat ausgehändigt.

Foto: Anne Orthen

Es ist ziemlich kalt an diesem Donnerstagmorgen. In der Nacht hat es den ersten Frost gegeben, und das ist für viele der Menschen, die auf der Flucht aus ihrer Heimat nach Düsseldorf gekommen sind, sehr ungewohnt. Da sind der heiße Kaffee und der Tee aus dem Gute-Nacht-Bus sehr willkommen, den Jens Körschen und seine Kollegen bereithalten, wenn ab 7 Uhr die Flüchtlinge aus den Aufnahmeeinrichtungen im gesamten Stadtgebiet zum Amt an der Münsterstraße kommen, um ihr Taschengeld in Empfang zu nehmen.

Eine Stunde vorher treffen sich die Helfer im Quartier der Hilfsorganisation "Vision teilen" an der Schirmerstraße und füllen die ersten Kannen mit heißem Wasser, packen Brötchen in den Bus. Später werden sie in der Teeküche des städtischen Büros für Nachschub sorgen, an manchen Tagen geben sie 30 Kannen Kaffee und Tee aus.

 Bevor die Marken verteilt werden, will keiner seinen Platz in der Schlange verlieren. Deshalb bringt Carol Randall den Kaffee auf dem Tablett zu den Wartenden.

Bevor die Marken verteilt werden, will keiner seinen Platz in der Schlange verlieren. Deshalb bringt Carol Randall den Kaffee auf dem Tablett zu den Wartenden.

Foto: Anne Orthen (ort)

Eigentlich hat die Initiative der Franziskaner zusammen mit Fifyfifty den Bus als nächtliche Anlaufstelle für Obdachlose angeschafft. Aber "Vision teilen" ist eine Initiative gegen Armut und Not, und deshalb teilen sich die Ehrenamtlichen nicht mehr nur in die Nachtschichten, sondern an fünf Tagen um den Monatsanfang herum auch für den "Guten-Morgen-Bus" ein.

Der 23-jährige Jens ist der einzige, der hier nicht ehrenamtlich hilft. Vor dem Fachabitur im Sozial-Bereich ist er zurzeit bei "Vision teilen" Praktikant. "Aber meine Freunde", sagt er, "die sind klasse, die wollen alle helfen." Timo (24) aus Neuss, der Wirtschaftsingenieurwesen studiert, und Sheran (24), dessen Eltern vor drei Jahrzehnten aus Sri Lanka flüchteten, haben sofort ihre Hilfe angeboten, als Jens von seiner Arbeit erzählte. Sie wollten sich ein eigenes Bild von dem machen, was täglich die Nachrichten bestimmt. Für Sheran kommt noch ein ganz persönliches Motiv dazu. Seine Eltern haben ihm viel erzählt, von ihrer eigenen Flucht aus Sri Lanka. Jetzt, sagt er, kann er sich besser vorstellen, wie das damals war.

Carol Randall hat sich ebenfalls für einige Frühschichten eingetragen. Die macht sie, bevor sie zu ihrer eigentlichen Arbeit geht. "Mir geht es gut", sagt die 45-Jährige. "Da ist es nur recht und billig, wenn ich etwas für andere mache." Zumal der Kaffee-Service ihr auch sehr viel Freude mache. "Die Leute sind alle sehr nett", sagt sie. Wie der junge Mann aus Syrien, der, bevor er nach einem Kaffee fragt, die Helfer auf englisch mit einem "Danke, dass Sie für uns da sind" begrüßt.

Die Atmosphäre auf dem Hof war nicht immer so gelöst wie gestern. Bei dem langen Warten in der Schlange ist es vor einiger Zeit schon einmal zu Auseinandersetzungen unter den Flüchtlingen gekommen, die befürchteten, nicht mehr an die Reihe zu kommen. Der Gute-Nacht-Bus hat da viel zur Entspannung beigetragen. "Kein Wunder", sagt Carol, "nach dem ersten Kaffee ist doch jeder besser drauf."

Kosten für Flüchtlinge: Die wichtigsten Antworten
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Foto: dpa, rwe lof

Nach dem Zwischenfall hat die Stadt zudem einen Sicherheitsdienst engagiert, der jetzt für Ordnung im Ablauf sorgt. An die Wartenden werden Marken ausgegeben, damit sie nicht stundenlang am selben Fleck stehen müssen. In die beiden Büroetagen dürfen sich aus Brandschutzgründen nie mehr als jeweils 25 Personen gleichzeitig aufhalten. Deshalb gibt es für die beiden Wartebereiche blaue und weiße Marken. Und "Zwischenmarken" für die Schwangeren, für die der Wachdienst eigens ein paar Stühle bereitgestellt hat. Dass schwangere Frauen bevorzugt an die Reihe kommen, wird allgemein akzeptiert. Seit das so geregelt ist, hat es keine Auseinandersetzungen mehr gegeben.

Auch gestern bleibt die Stimmung gut. Als einer, der noch nicht so lange da ist, sich aufregt, weil er das System mit den Nummern nicht verstanden hat, nimmt ihn ein anderer Flüchtling bei der Hand, zieht in zur Seite und erklärt es ihm. Sie sprechen dabei deutsch - das ist jetzt ihre gemeinsame Sprache.

(RP)
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