Serie Internationales Düsseldorf Für Chinesen ist diese Stadt ein Dorf

Düsseldorf · Kaum eine Volksgruppe liebt die Landeshauptstadt so sehr wie die Chinesen. Doch diese sind weitaus größere Städte gewöhnt.

 Lynda Xu lebt mit Mann und Sohn in Oberkassel. Sie arbeitet als Finanz-Manager eines mittelständischen Krefelder Unternehmens.

Lynda Xu lebt mit Mann und Sohn in Oberkassel. Sie arbeitet als Finanz-Manager eines mittelständischen Krefelder Unternehmens.

Foto: Andreas Bretz

In China ist eines besonders wichtig: Höflichkeit. Wie in vielen asiatischen Ländern darf das Gegenüber nicht ohne Not oder am allerbesten gar nicht kompromittiert werden. Wenn ein Chinese also dann doch etwas sagt, dass seinen Gesprächspartner etwas kleiner oder schlechter machen könnte als erhofft, dann muss man dieser Aussage sicherlich Glauben schenken.

Fragt man Lynda Xu danach, ob sie Düsseldorf als Metropole am Rhein empfindet, dann lächelt sie höflich, und sagt: "Düsseldorf ist keine kleine Stadt." Dann macht sie eine Pause und ergänzt: "Düsseldorf ist ein Dorf!"

 Qian Li ist Zahnärztin an der Kö und im Nebenjob ist sie Manager im Düsseldorf China Center. Beide Frauen hätten lieber ein Selfie gemacht, das sei in China "in".

Qian Li ist Zahnärztin an der Kö und im Nebenjob ist sie Manager im Düsseldorf China Center. Beide Frauen hätten lieber ein Selfie gemacht, das sei in China "in".

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Das mag den heimatverduselten Düsseldorfer, der ohnehin schon daran zu knapsen hat, dass die Landeshauptstadt deutlich kleiner ist als der Hassnachbar Köln, arg an der Ehre packen. Aber bei sachlicher Abwägung aller Fakten muss man Frau Xu einfach Recht geben. Sie kommt aus Shanghai. "Meine Heimatstadt hat offiziell 18 Millionen Einwohner", sagt Xu. Inoffiziell sind es 21 Millionen. Allein die Differenz zwischen offizieller und inoffizieller Einwohnerzahl entspricht fast sechs Mal Düsseldorf. Und die stolzen Düsseldorfer brauchen sich über diese Aussage von Lynda Xu, die Finanz-Geschäftsführerin der rheinischen Rollenfirma Wumag Texroll aus Krefeld ist, auch überhaupt nicht grämen. Denn es ist grade das überschaubare und gelassene, was die Chinesen immer stärker nach Düsseldorf drängen lässt.

Qian Li ist Zahnärztin. Sie arbeitet in einer Praxis an der Königsallee. "In der Mittagspause gehe ich dann gerne an den Rhein, das ist so einmalig. Mitten in Düsseldorf ein großer Fluss mit grünen Ufern, sogar Schafe grasen auf der anderen Flussseite", sagt Li. "Ich mag, dass es in Düsseldorf etwas gemächlicher zugeht. In unseren Städten ist es deutlich hektischer", meint Qian Li. Und ihre Landsfrau stimmt dem uneingeschränkt zu.

Aber warum soll ausgerechnet Düsseldorf für China und Chinesen interessanter sein als Hamburg, München oder Stuttgart. "Es ist vor allem die zentrale Lage in Europa", sagt Lynda Xu. Mit dem Flieger sei man in einer Stunde in London, Paris, Berlin. Frankfurt und Köln könne man sogar per Zug ähnlich schnell erreichen. Und das vermeintliche Dorf sei obendrein noch ganz nah am Ruhrgebiet. "Und das ist aus chinesischer Sicht immer noch das industrielle Herz Deutschlands", sagt Lynda Xu. Ihr Arbeitgeber Texroll wurde vor einigen Jahren von Chinesen gekauft. Heute ist sie so etwas wie ein Mittler zwischen den Kulturen.

Doch die Zeiten, in denen die Chinesen isoliert unter sich lebten, seien vorbei, meint die 43-Jährige. "Ich wohne mit meinem Mann und meinem Sohn in Oberkassel", sagt Lynda Xu. Ihr Gatte leitet die Düsseldorfer Niederlassung der Bank of China in der Innenstadt. Ihr Sohn besucht keine internationale Schule, sondern ein normales Düsseldorfer Gymnasium. "Oft bringt er deutsche Freunde mit nach Hause, gerne über Nacht. Dann spielen sie Fußball, oder wenn es regnet, zocken sie Playstation", sagt Xu. Sie hat Amerikanistik studiert. Lange lebte sie in Shanghai, ihr Mann in Düsseldorf. Vor drei Jahren hatte sie keine Lust mehr auf Fernbeziehung und Familientrennung. Obwohl sie erst vor drei Jahren mit dem Deutschlernen begann, spricht sie heute fließend und nahezu akzentfrei.

Was sind die Unterschiede zwischen den Düsseldorfern und den Chinesen? Xu und Li sind sich wieder einig: "Wenn man in China jemanden kennenlernt und ihn als guten Freund gewinnen möchte, dann lädt man ihn einfach nach Hause zum Essen ein", erklärt Lynda Xu. "In Deutschland wäre das ganz klar ein Schritt zu weit, oder besser, mindestens vier oder sechs Schritte", sagt die Managerin. "Mit den deutschen Arbeitskollegen muss man sachte anfangen. Also erst mal Small-Talk. Dann irgendwann mal einen Kaffee in der Teeküche. Erst im nächsten Schritt geht man zusammen essen, erst in der Kantine, dann vielleicht in ein Restaurant. Wenn man danach jemanden zu sich nach Hause einlädt, dann hat man einen Freund gewonnen", sagt Lynda Xu.

Das chinesische Leben findet in Düsseldorf nicht in einem bestimmten Stadtteil statt, es ist breit gestreut. Vielleicht ist der Bereich rund um die Oststraße ein kleines Zentrum. "Dort ist ein chinesischer Supermarkt, der ist so beliebt, dass auch unsere Landsleute aus Dortmund oder Wuppertal dort zum Einkaufen hinfahren", sagt Li. Und an der Oststraße gebe es die besten chinesischen Restaurants der Stadt, behaupten die Chinesinnen. Und gerade an den Düsseldorfer China-Restaurants könne man erkennen, wie weit China und Düsseldorf sich schon angenähert hätten. "Ich habe lange in Karlsruhe gelebt. Dort waren die China-Restaurants eher so etwas wie Imbisse. Denn gebratene Nudeln sind was allgemein Asiatisches, aber nichts typisch Chinesisches", sagt Qian Li. In Düsseldorfer China-Restaurants dagegen schmecke es eigentlich so wie daheim im Reich der Mitte. Einer der Haupttreffpunkte der chinesischen Gemeinde ist das von Robert Zao an der Königsallee gegründete Düsseldorf China Center. "Dort finden die meisten unserer Treffen statt", sagt Qian Li, die dort nebenberuflich als Manager arbeitet. Im November soll es nach einer Renovierung wieder eröffnen.

An ihren heimischen Traditionen halten Düsseldorfs Chinesen auch am Rhein fest. Heute ist das chinesische Mondfest. "Und zu solchen Anlässen treffen wir uns gerne mit anderen Chinesen zuhause, sagt Li.

(tb.)
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