Düsseldorf Rosenmontagszug: So gehen Satire und gute Stimmung

Düsseldorf · Ein kleiner Indianer steht am Straßenrand, die Augen groß, die Tüte leer: "Kamelleeee!" ruft er dem Prinzen auf seinem Wagen entgegen. Und auf einmal donnert es Bonbons, Schokolade und Taschentücher. Tosenden Applaus gab es für die mutige Satire zu den Anschlägen auf "Charlie Hebdo".

Am Rosenmontag waren es vor allem die kleineren Fußgruppen, Tänzer und Musikvereine, die den Zuschauern ordentlich einheizten und den Kindern ordentlich Kamelle zuwarfen. Und der Fokus lag in diesem Jahr ganz klar auf Internationalität — Düsseldorf zeigte sich von seiner weltoffenen Seite. Als die "Amigos de Bolivia" das Rathaus erreichten, entdeckten die Zuschauer auf der Tribüne ihre lateinamerikanische Seite. Die jecke Menge tobte und feierte zu den exotischen Klängen. Auch weniger weit gereiste Exoten gab es zu sehen: Holländer, Friesen und sogar Gruppen aus Oberkassel.

Twitter-Reaktionen auf den Charlie-Hebdo-Wagen
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Foto: dpa, mg

Die Zugereisten sorgten auch für rekordverdächtige Zuschauerzahlen am Rosenmontag. Rund 1,2 Millionen Zuschauer feierten in der Innenstadt bei strahlendem Kaiserwetter. Hier geht es zu unserem Protokoll des Live-Blogs vom Rosenmontagszug.

Neben all den bunten und fröhlichen Fußgruppen und Wagen ging es auch bei den Mottowagen international zu. Die Düsseldorfer Karnevalisten haben traditionell den Anspruch, die (Welt-)Politik bissig zu kommentieren. Die Motive des Wagenbauers Jacques Tilly sind dabei immer wieder so provokant, dass es manchem Zuschauer die Sprache verschlägt, weil er nicht weiß, ob er lachen, klatschen oder lieber gar nicht reagieren soll. Doch die Wagen, die Tilly dieses Jahr für den Zug gebaut hatte, provozierten eine lautstarke Antwort der Zuschauer.

Düsseldorfer Prominente feiern 2015 Rosenmontag
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Düsseldorfer Prominente feiern 2015 Rosenmontag

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Foto: Ruhnau

Die Karikatur zum Anschlag auf die französische Satirezeitung "Charlie Hebdo" in Wagenform ist drastisch: Sie zeigt eine von einem Terroristen geköpfte Person. Sie hält eine Ausgabe von "Charlie Hebdo" in den Händen und rennt dem Täter davon. Die Redaktion der französischen Zeitschrift war vor wenigen Wochen Ziel eines terroristischen Anschlages geworden. Motto des Wagens: "Satire kann man nicht töten".

Jubel für den "Charlie Hebdo"-Wagen

Rosenmontag - die Jecken sind müde
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Rosenmontag - die Jecken sind müde

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Als der "Charlie Hebdo"-Wagen um die Ecke biegt und seine Runde um das Jan-Wellem-Denkmal am Rathaus fährt, kommt Applaus auf, die Menge jubelt. Damit zeigen die Düsseldorfer Jecken klar, wie sie zum Thema Meinungsfreiheit stehen. Und weil es Satire ist, mischt sich auch das ein oder andere Lachen unter den anerkennenden Beifall. Auch Madzirov und Simon aus Düsseldorf finden den Wagen gut: "Wir lassen uns unsere freiheitliche Kultur nicht verbieten".

Lacher erntet auch der Mottowagen, auf dem Oberbürgermeister Thomas Geisel zu sehen ist. Doch nicht über das Motiv (die leere Stadtkasse), sondern über die Pappmaché-Figur des Oberbürgermeisters amüsieren sich die Zuschauer. "Der ist ja viel zu groß dargestellt", ruft einer. Als hätte Geisel das geahnt, sieht man ihn heute mit Stulpenstiefeln mit hohen Absätzen auf der Tribüne stehen. So wirkt er zumindest dort auch etwas größer.

Wirklich groß war die Zuschauermenge beim Rosenmontagszug. Offizielle Zahlen der Sicherheitskräfte lagen am Nachmittag noch nicht vor, doch der erfahrene Pressesprecher des Carnevals Committee Düsseldorf wagte eine erste Prognose. Er sprach von etwa 1,2 Millionen Zuschauern.

(ac)
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