Theater in Düsseldorf Tschick-Ensemble für Gustaf nominiert

Düsseldorf · Die drei Schauspieler aus der Tschick-Inszenierung des Jungen Hauses kann das Publikum mit dem Nachwuchspreis auszeichnen. Die RP verleiht den nach Gustaf Gründgens benannten Preis – und traf die Darsteller zum Gespräch.

 „Verrückt sein heißt nur, dass man verrückt ist — und nicht bescheuert.“ Das sagt Isa (gespielt von Jasmina Music) zu ihren Freunden Tschick (Philip Schlomm, rechts) und Maik (Dominik Paul Weber).

„Verrückt sein heißt nur, dass man verrückt ist — und nicht bescheuert.“ Das sagt Isa (gespielt von Jasmina Music) zu ihren Freunden Tschick (Philip Schlomm, rechts) und Maik (Dominik Paul Weber).

Foto: Sebastian Hoppe

Die drei Schauspieler aus der Tschick-Inszenierung des Jungen Hauses kann das Publikum mit dem Nachwuchspreis auszeichnen. Die RP verleiht den nach Gustaf Gründgens benannten Preis — und traf die Darsteller zum Gespräch.

Die vierte Wand trennt als gedachte Linie den Bühnenraum vom Publikum. Dahinter können sich Schauspieler auch manchmal zurückziehen oder aber die Wand bewusst öffnen. Diese unsichtbare Wand wird ziemlich oft sogar durchbrochen, wenn Jasmina Music, Dominik Paul Weber und Philip Schlomm in der Bühnenfassung des Jugendromans "Tschick" auf der Bühne stehen. Manchmal auch gewaltsam, wenn ein Schüler aus den vorderen Reihen eine Wasserbombe auf die Bühne wirft.

"Da habe ich dann ,Stopp' gerufen und mir den Schüler vor die Brust genommen", sagt Tschick-Darsteller Philip Schlomm (38). "Es ist mir einfach so passiert." Er habe den Störenfried aufgefordert, den Saal zu verlassen oder ab sofort ruhig sitzen zu bleiben und zuzusehen. "Wir bekommen auf der Bühne alles mit, was das Publikum macht. Manche Jugendliche begreifen nicht, dass wir wirklich live auf der Bühne stehen", sagt sein Schauspielkollege Dominik Paul Weber (28), der in der "Tschick"-Inszenierung des Jungen Schauspielhauses den Maik mimt. "Einige kommen rein, packen ihr Essen und Trinken aus und denken, sie sitzen vor dem Fernseher", ergänzt Schlomm. "Als Schauspieler darf man nicht labil sein", sagt Music. "Und man muss mutig sein." Sie spielt die Rolle des Mädchens Isa, das Tschick und Maik auf ihrem Roadtrip kennenlernen.

Doch dann gibt es da auch jene Momente, in denen die Darsteller wissen, dass sie das Publikum im Griff haben. "Wenn ich auf der Bühne stehe und es so still ist, dass ich die Lüftung höre, denke ich: ,geil'", sagt Weber. Er und seine beiden Kollegen aus dem "Tschick"-Trio sind Anwärter auf den Gustaf-Preis. Sie sind feste Ensemble-Mitglieder des Jungen Schauspielhauses. Die Rheinische Post verleiht mit den Freunden des Schauspielhauses diesen Publikumspreis am Ende der Spielzeit.

Die drei proben derzeit für das neue Stück "Irgendwie anders", das am Sonntag Premiere hat. Das Spiel ist für Kinder von vier Jahren an geeignet. "Dann fangen Kinder gerade an, unterschiedliche Rollen zu unterscheiden, und können dem Stück folgen", weiß Schlomm, der Vater von zwei fünf- und achtjährigen Söhnen ist. Er hat vor seinem festen Engagement für das Ensemble des Jungen Schauspielhauses zehn Jahre als freier Schauspieler gearbeitet.

Die Unterscheidung von Kinder- und Jugendtheater und Theater für Erwachsene möchten die drei nicht treffen. "Wir sollen gute Geschichten erzählen, die sind dann auch für große Kinder spannend", sagt Schlomm. "Wir können unseren Text nicht einfach runterrattern", wirft Music ein. "Und vor 300 Pubertierenden zu spielen, ist die Königsdisziplin. Die sind so voller Hormone", fügt Weber hinzu.

"Wir reduzieren das Buch auf seine Essenz", sagt Music, die 1988 in Bosnien geboren wurde und mit fünf Jahren nach Dortmund kam. An der Theaterakademie Hamburg hat sie sich ausbilden lassen. Zurzeit spielt sie auch am Maxim-Gorki-Theater in Berlin. "Wir haben nur uns und den Text auf der Bühne", sagt Weber. "Deswegen können wir auch nicht einfach nur den Text aufsagen. Ich muss alles, was ich sage, auch so meinen." Er hat zunächst drei Semester VWL in Bonn studiert, bevor er anfing, in Köln beim WDR zu arbeiten. Bis zum vorigen Jahr hat er in Leipzig Schauspiel studiert.

Ihre Interpretation des Herrndorf-Romans kommt beim Publikum gut an. "Wir bekommen viel Fanpost", erzählt Schlomm. Generationenübergreifend sei das Publikum, und bei Rentnern und bei den jüngeren Zuschauern komme das Stück gleichermaßen an. "Tschick" war voriges Jahr noch vor Goethes Werken das am meisten aufgeführte Stück in Deutschland. "Ein Publikumspreis ist direkter und ehrlicher als ein Preis, der von einer Fachjury verliehen wird", sagt Music.

Schlomm sieht den Publikumspreis dennoch ambivalent. Das Publikum klatsche für eine bestimmte Figur und nicht für den Menschen, der die Figur spielt. Deswegen sei ein Einzelpreis nicht geeignet, die Ensembleleistung auszuzeichnen, die für ihn im Mittelpunkt stehen sollte. Für die Aufführung am Samstag hat er sich vorgenommen, die Nominierung für den Preis auf der Bühne auszublenden. Er möchte nicht in einen Wettstreit mit seinen Kollegen treten. "Schließlich erzählen wir eine Geschichte über Freundschaft."

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