Serie So Klingt Düsseldorf Tanze Samba mit mir

Düsseldorf · Ein Mal im Monat mischen die "Amigos do Samba" ein Schützenvereinsheim auf - die temperamentvolle Truppe sucht noch Verstärkung.

 Die "Amigos do Samba" um Marcelo da Paz (Mitte). Der Brasilianer kam 2001 nach Deutschland und gründete sieben Jahre später die Tanzgruppe.

Die "Amigos do Samba" um Marcelo da Paz (Mitte). Der Brasilianer kam 2001 nach Deutschland und gründete sieben Jahre später die Tanzgruppe.

Foto: Anne Orthen

Normalerweise ist das Vereinsheim der Schützen in Benrath kein Ort für Paradiesvögel. Ein Mal im Monat aber ändert sich das Bild: Da verbannt funkelndes Strassglitzern das gewohnte Bild der Uniformen. Da proben die "Amigos do Samba" ihre temperamentvolle Show und setzen dem etwas düsteren Hinterhof Glanzlichter auf. Dann geben die Trommeln den Ton an, und durch die Räume weht eine kräftige Brise Rio. Da würde jeder Gleichschritt aus dem Takt geraten.

Die Geschichte der "Amigos" ist die Geschichte von Marcelo da Paz. Der 49-jährige Brasilianer ist Gründer, Lehrer und Seele der Truppe. Er wurde in den Armenvierteln von Rio de Janeiro geboren, um seine Kindheit zu beschreiben, reicht ihm ein Satz: "Als ich sieben Jahre alt war, trennten sich meine Eltern, von da an lebte ich auf der Straße." Zur gleichen Zeit erlebte er einen schicksalhaften Moment: Marcelo da Paz hörte bei einem Fest zum ersten Mal Samba, von nun an träumte er davon, Musiker zu werden. "Mit anderen Jungs auf der Straße baute ich ein Instrument aus Milch- und Margarinedosen."

Seine erste richtige Gitarre war alt und kaputt, er reparierte sie und lernte schließlich auf ihr zu spielen, in dem er Musikern zuhörte und ihre Handgriffe kopierte. Viele Jahre reiste er durch das Land, spielte auf der Straße und manchmal in Clubs, lernte dabei, wie unterschiedlich Brasilien klingt, wie viele verschiedene Stile allein den Samba prägen. 2001 kam Marcelo da Paz nach Deutschland - auf den Spuren einer Liebe. Er blieb, auch als die Beziehung längst zerbrochen war, bekam durch den Kontakt zu anderen Brasilianern bald einen Job in einer Düsseldorfer Bar. 2008 gründete er seine Samba-Schule, vielleicht auch als rhythmisches Heilmittel gegen Heimweh.

Viele Menschen konnte er in diesen Jahren auf seine musikalische Spur ziehen, wenn die "Amigos" vollzählig auftreten, kommen 40 Tänzerinnen und Musiker zusammen - Zuwachs ist trotzdem noch erwünscht. "Trommeln ist ein anderes Wort für Freude, das ist wie ein Sprung über einen Zaun, der Alltag bleibt auf der anderen Seite", sagt Rolf Huth, der schon lange dabei ist. Ohnehin lässt die Kraft der Trommeln jeden Raum swingen - der Anblick der Tänzerinnen in ihren prachtvollen Kostümen, reich bestickt mit Pailletten und Perlen, sowieso. Den Kopf der "Königin der Musiker" schmückt ein gewaltiger Federnschmuck, ansonsten reicht ihr ein Minimum an Textilien, das viel braune Haut blitzen lässt. Alles ist Bewegung.

Dass nicht jede Tänzerin aus dem Heimatland des Sambas kommt, schmälert das Gesamtbild keineswegs. Rachel Steichan stammt ursprünglich aus Kenia und tanzt, als hätte sie den Samba im Blut - "alle glauben eh, ich sei Brasilianerin." Den Düsseldorfern sind die "Amigos" von ihren Auftritten bei Kultur- und Straßenfesten und aus dem Rosenmontagszug vertraut. Jedes Mal in anderen schillernden Kostümen, die Marcelo da Paz entwirft und mit Unterstützung von Rachel Steichan auch selbst näht - "mit den ersten Vorbereitungen fangen wir schon im Sommer an." Er bestimmt auch das Motto, komponiert die Lieder dazu, die immer eine Geschichte aus der Tradition seiner Heimat erzählen - alles vom großen Vorbild, dem Karneval in Rio, inspiriert.

Ein Teil seiner Gagen - Marcelo da Paz spielt auch in einer eigenen Band - fließt wieder nach Brasilien zurück. Im Nordosten des Landes, einer bitterarmen Region, in der es seit sechs Jahren nicht geregnet hat, gründete der Musiker vor Jahren ein humanitäres Projekt: 15 Dörfer hat er bereits mit Brunnen versorgt, von ihm finanziert und selbst gebaut. Wenn er von der Situation der Menschen erzählt, wird sein sonst so strahlendes Gesicht ganz ernst. Aber dann dreht er sich um, greift nach seiner Trommel: "It's Samba-Time."

(RP)
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