Historischer Einschnitt: Thyssenkrupp verkauft Stahlsparte
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Kommentar Ach Günther, was hast Du getan?

Emmerich · Spatenstich für die Betuwe: Vor 25 Jahren wurde der Vertrag über die Güterstrecke mit den Niederlanden ausgehandelt. Seitdem ballt der Niederrhein die Faust in der Tasche.

Im Jahr 1993 trat Günther Krause (CDU) vom Amt des Bundesverkehrsministers zurück. Der Mann aus Halle an der Saale hatte seinen politischen Ruf durch diverse Affären ruiniert. Am Niederrhein hatten die Menschen von ihm schon vorher die Nase voll. Einen schlecht verhandelten Betuwe-Vertrag mit dem Königreich der Niederlande nahmen sie ihm äußerst übel.

So lange ist das Ganze schon her. Und man muss einfach mal daran erinnern, wenn gestern in Oberhausen der Spatenstich anstand zum Ausbau der Güterverkehrsstrecke Landesgrenze-Oberhausen.

Vor 25 Jahren begann der Schlamassel. Und die Sache ist noch nicht vorbei.

Warum nur sind wir alle misstrauisch, wenn es darum geht, dass die Bahn uns Lärmschutz verspricht, leisere Güterwaggons und das Ende von alten Triebwagen mit einer Lautstärke von zehn Düsenjägern?

Warum glauben wir, dass die Bahn und der mit ihr eng verbundene Landesbetrieb Straßen NRW für Elten im Zweifel nicht die beste, sondern die billigste Lösung finden wird?

Und warum sind die Besitzer von Immobilien wütend auf die Bahn?

Ganz einfach: Weil in den zurückliegenden Jahrzehnten (!) die Bahn keine Anstalten machte, das Schicksal der Menschen an den Schienen zu mildern, stattdessen erst die Taktzahl der Züge erhöhte, um dann Lärmschutz erst in ein paar Jahren folgen zu lassen. Weil die Bahn die Städte an den Gleisen einschüchterte, ihnen Zugeständnisse abpresste und immer erst dann Rücksichten andeutete, wenn von hoher Stelle politischer Ärger drohte.

Weil die Züge, die über die Schienen rattern, den Wert der Häuser in den Keller schicken, weil sie Risse in Wänden produzieren, deren Urheberschaft die Bahn natürlich abstreitet.

Weil die Bahn den Menschen eine Drittverglasung für ihre Häuser und Wohnungen in Aussicht stellt. Und die Menschen damit zwar Ruhe im Wohnzimmer haben, aber nur, wenn sie sich in eine Art Käfighaltung begeben und die Fenster nicht mehr öffnen.

Ronald Pofalla, der frühere Kanzleramtsminister, hat viel für die Region getan. Er hat die Bahn in die Pflicht genommen, die so dreist war und den Städten alle Kosten und Lasten für wegfallende Bahnübergänge aufhalsen wollte, während sie den Profit einstreicht. Dafür waren ihm die Menschen dankbar. Dass er vielleicht noch mehr hätte herausholen können, glauben sie, seit er sein Bundestagsmandat gegen einen Vorstandsposten bei der Bahn eingetauscht hat. Auch Umweltministerin Barbara Hendricks war und ist eine Vermittlerin.

Und doch: Die Bahn ist deutscher Staatsbetrieb. Die Güterverkehrsstrecke, die wir in unserem Landstrich Betuwe-Linie nennen, ist Teil einer europäischen Güterverkehrsstrecke von Rotterdam bis Genua, eine der wichtigsten in Europa. Das muss man wissen, um die Rolle der Anrainer von Emmerich bis Oberhausen einschätzen zu können.

Und es sei denjenigen noch einmal in Erinnerung gerufen, die die Schuldigen gerne vor Ort suchen, weil's einfach ist. Die Bürgermeister und Landräte sind nur kleine Figuren in diesem Spiel. Die Einladung zum Spatenstich haben sie daher auch mit der Faust in der Tasche angenommen.

Und das Verrückteste an der ganzen Sache ist im Rückblick, dass es am Niederrhein - außer vielleicht in Millingen - nie zu einer tatsächlich größeren Demonstration gegen die Betuwe-Linie gekommen ist. Kein tausendfacher Protest gegen Lärm und Wertverlust.

Einzig das gallische Dorf rund um den Eltenberg kämpft noch. Eine Bürgerinitiative haben die Dorfbewohner allerdings auch erst gegründet, als sie - um im Bild zu bleiben - von Cäsars Gleisbautrupp bereits umzingelt waren.

(RP)
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