Stadtwerke Geldern präsentieren verschwundene Orte Der alte Holländer am Markt

Geldern · Goldgrube und Spezialitätengeschäft, das war das Büdchen am Markt 32. Denn nirgendwo sonst in Geldern gab es Softeis und die echten niederländischen Fritten. Der ehemalige Mitarbeiter Erwin Aal erinnert sich an die Peeters-Ära.

"30-10-10", das ist nicht etwa ein Geheimcode, sondern der Schlüssel zum kleinen Stück Glückseligkeit oder auch die Waffe gegen den kleinen Hunger. "30-10-10 war der Klassiker, die wunderbare Tüte", sagt Erwin Aal.

Er muss es wissen, denn er hat diese Tüten gepackt, die mit den echten holländischen Pommes für 30 Pfennig, dazu Ketchup und Mayo zu jeweils zehn Pfennig, 30-10-10 eben. Als Schüler hat Erwin Aal als Aushilfe beim Holländer am Markt gearbeitet. Das war die Pommesbude schlechthin. Von den 1970er Jahren bis zum Abitur am Friedrich-Spee-Gymnasium stand Erwin Aal, der heute in der Schweiz lebt und Pastor ist, hinter der Theke. Und wenn Hochbetrieb war, dann standen dort auch vier bis fünf Leute und bedienten. Familiär sei es gewesen, sagt Aal. Die Zeit in Geldern hat er nicht vergessen. Bei einem seiner jüngsten Besuche in der alten Heimat hat er die Pommesbude allerdings schmerzlich vermisst. Zwischen Juwelier Vogel und dem Drogeriemarkt lag sie, die Futter-Oase, die Generationen von Gelderner Schülern ernährte. Nach der Schule zur Frittenbude, das war legendär. "Schlechtes Wetter und Ferienzeit wirken sich negativ auf den Umsatz aus", schrieb die RP am 30. August 1969 in einem Artikel. Und: "Die Idee, in Streifen geschnittene Kartoffeln in Öl zu backen, hat sich als goldrichtig erwiesen. "Es gab ja damals nicht so viele Imbissbuden", sagt Erwin Aal. "Heute gibt es an jeder Ecke einen Döner." Aber damals, da war so ein schnelles Essen auf die Hand schon etwas Besonderes. "Die Fleischrolle, das war eine der holländischen Spezialitäten", erinnert sich Aal. Und natürlich das Softeis. "Regelmäßig wurde kontrolliert, ob lebensmitteltechnisch alles mit rechten Dingen zugeht", sagt Aal. Es waren aber nicht nur die Schüler, die dort regelmäßig ihr Taschengeld quitt wurden, oder Arbeitnehmer, die froh waren, einen schnellen Snack in der Mittagspause zu ergattern. An den Wochenenden waren die Tage besonders lang. "Da gab es noch das Pam-Pam", sagt Aal über die legendäre Disco auf der Ecke Gelderstraße. Es gehörte einfach dazu, nach einer langen Disco-Nacht noch eine Pommes beim Holländer zu essen.

Das Essen wurde nicht nur durch das legendäre Fenster gereicht. Drinnen standen ein paar Tische und Stühle, später auch ein Flipper für die Kurzweil. Betrieben wurde der Imbiss von der Familie Peeters. Frans Peeters kann sich noch gut an Erwin Aal erinnern. "Einer unserer besten Mitarbeiter, so jemanden vergisst man nicht."

Vom 14. Lebensjahr an hat Frans Peeters bei der Pommesbude, die seinem Vater Piet und seinem Onkel Jan gehörte, mitgearbeitet. Das Schnellrestaurant schloss die letzte Baulücke, die es in der Häuserzeile am Gelderner Markt nach dem Zweiten Weltkrieg gab. Bevor die Imbissbude fertig wurde, stand der Vater mit einem Imbisswagen auf dem Marktplatz. Es erinnert ein bisschen an die Geschichte des Landsmannes Eric Mulders, der bis 2016 am Bahnhof stand, aber noch auf ein Happy End, also einen festen Standplatz, wartet.

Vor 50 Jahren, 1966, war die Imbissbude "Der Holländer" fertig. Aber so recht wollte das Geschäft nicht anlaufen. "Herr Peeters, schreiben Sie ein Schild: Holländische Pommes Frittes", habe jemand zu seinem Vater gesagt, erinnert sich Frans Peeters. Und das war der Beginn des unaufhaltsamen Aufstiegs. "Sind denn holländische Pommes anders als deutsche?", wird sich der ein oder andere fragen. "Die Holländer hatten das richtige Fett und die richtige Kartoffelsorte", sagt Frans Peeters fachmännisch.

Der Imbiss entwickelte sich zur Goldgrube. "Die twee hebben Geldern friet-minded gemaakt", wird Gelderns Stadtdirektor Matthias Op de Hipt im Dagblad voor Noord-Limburg vom 4. Juli 1968 zitiert. Piet und Jan Peeters brachten die Gelderner also auf den Fritten-Geschmack und blieben viele Jahre treu an Ort und Stelle. Das Ende kam 1992. "Weil die Miete zu hoch war", sagt Frans Peeters. Außerdem hatten sie noch das Gartencenter in Holland als Tätigkeitsfeld.

Heute ist in dem Ladenlokal ein Frisör, gleich nebenan, wo früher der Coop-Supermarkt war, ist ein Drogeriemarkt. Aber beim Schreiben dieser Zeilen ist er noch da, der Geschmack von Pommes und cremig weiß-gelber Mayonnaise, die echte aus Holland.

(RP)
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