Wachtendonk Einblick in Frankreichs Orgelliteratur

Wachtendonk · Hans-Peter Retzmann beim Neujahrskonzert in der St.-Michael-Kirche Wachtendonk. Rund 80 Zuhörer. Zu Kompositionen unter anderem von Messiaen und Langlais auch eine freie Improvisation.

 In Wachtendonks Pfarrkirche St. Michael verfolgten rund 80 Zuhörer das Neujahrskonzert.

In Wachtendonks Pfarrkirche St. Michael verfolgten rund 80 Zuhörer das Neujahrskonzert.

Foto: Gerhard Seybert

Mit Werken romantischer französischer Komponisten sowie von Johann Sebastian Bach gastierte Hans-Peter Retzmann auf Einladung des Kulturkreises an der Seifert-Orgel in der Wachtendonker St.-Michael-Kirche. Für diesen festlichen Auftakt des neuen Jahres war der Organist aus Ostwestfalen in die Niersfeste gekommen. Retzmann ist Kantor im Pastoralverbund Delbrück (Paderborn). Er musiziert in unterschiedlichen Ensemblebesetzungen in Deutschland sowie im Ausland und gibt Vorlesungen und Workshops zu theoretischen und praktischen Themen.

Fanfarenhaft eröffnete Retzmann das Neujahrskonzert mit "Dieu parmi nous" (Gott unter uns), einem Orgelwerk von Olivier Messiaen, das dieser 1935 im Alter von 27 Jahren schrieb. So mancher der rund 80 Zuhörer war von der charakteristischen, verschleierten Takteinteilung irritiert, die sich mit jedem Takt änderte und deren Gliederung, auf Modi aufgebaut, von systematisch eingesetzten Tonleitern lebte. Die zum Teil chaotisch wirkende Melodik wurde von Retzmann mit einer interessanten, farbenreichen Registrierung ausgearbeitet und machte gregorianische Inspirationen, griechische Metren und indische Rhythmen hörbar. Messiaen gilt als Synästhetiker, der sowohl bei Klängen Farben sah als auch bei Farben Klänge hörte.

Das "Adagio" aus der Symphonie Cantate "Ariane" von Alexandre Guilmant passte mit seinen andächtigen, sinnlich verhaltenden Harmonien besonders in die nachweihnachtliche Zeit und traf perfekt den damaligen französisch-romantisch-sinfonischen Orgelstil. Mit César Francks "Pastorale" demonstrierte Retzmann außerordentlich die französische Schule des 19. Jahrhunderts, die sich durch ihre polyphone Ausdrucksform auszeichnete. Die Schlichtheit des Werks unterstrich der Organist gekonnt mit rationalen Registern und klaren Läufen.

In seiner Komposition "Carillon de Westminster" verwendet Louis Vierne das Viertelstunden-Geläut der Londoner Kathedrale in einer abgewandelten Form, vermutlich, um eine bessere musikalische Linie daraus bilden zu können. Von einem ruhigen, verschwommenen Beginn steigerte Retzmann den Orgelklang zu einer imposanten, triumphalen Fülle.

Die "Hymne d'Actions de Graces", das "Te Deum" von Jean Langlais, arrangierte Retzmann mit tiefen Bässen und schneidenden Oberstimmen. Der Bach-Choral "Kommst du nun, Jesu vom Himmel herunter" und das "Präludium pro organo pleno" überzeugten mit gravitätisch-punktierten Themen, in dem das Präludium Merkmale der französischen Ouvertüre aufwies. Mit einer freien Improvisation zum Choral "Kommt und lasst uns Christum ehren" beendete Retzmann ein kontrastreiches Programm, das einen sehr umfassenden Eindruck in die Orgelliteratur der französischen Romantik gab.

(usp)
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