Straelen Stolpersteine erinnern an Juden in Straelen

Straelen · Vor fünf Häusern wurde gestern an von den Nazis ermordete Bürger erinnert. Die Aktion mit Künstler Gunter Demnig geht bald weiter.

 Stellvertretende Bürgermeisterin Monika Mertens legte Rosen nieder, Stadtarchivar Bernhard Keuck verlas die Namen der Juden aus Straelen.

Stellvertretende Bürgermeisterin Monika Mertens legte Rosen nieder, Stadtarchivar Bernhard Keuck verlas die Namen der Juden aus Straelen.

Foto: Seybert

Das düstere, nebelverhangene Wetter passte zum traurigen Anlass. Vor dem Haus Bahnstraße 9 legte Gunter Demnig die ersten fünf Stolpersteine in Straelen. Die kleinen Messingquadrate im Pflaster erinnern an die jüdischen Mitbürger, die einst in diesem Gebäude lebten und von denen einige gestern vor 72 Jahren deportiert wurden. Die Nationalsozialisten ermordeten viele von ihnen, nachdem sie sie zuvor schon entrechtet, drangsaliert und verfolgt hatten.

Unter anderem Vertreter von Rat und Verwaltung sowie zwei Schulklassen der Hauptschule beziehungsweise des Gymnasiums verfolgten die Aktion von Demnig. Schon mehr als 30 000 "Stolpersteine" hat der in Köln lebende Künstler in vielen europäischen Städten verlegt.

Die Stadt Straelen hatte 1960 ihrer ehemaligen jüdischen Mitbürger durch eine Plakette am Ehrenmal auf dem Friedhof gedacht. Sie war, urteilt der Freundeskreis Stadtarchiv Straelen, eher verborgen und blieb unbekannt. 2011 beantragte die SPD-Fraktion, mit Demnigs Stolpersteinen das Schicksal der Straelener Juden wach zu halten. Stadtarchivar Bernhard Keuck verlas die Namen der ehemaligen Bewohner von Haus Bahnstraße 9: Oskar Mendel, Jahrgang 1876, deportiert 1941, Riga, ermordet; Hans Mendel, Jahrgang 1912, Flucht 1938, USA, überlebt; Ilse Mendel, Jahrgang 1914, Flucht 1938, USA, überlebt; Sophia Mendel geb. Meyer, Jahrgang 1881, deportiert 1941, Riga, ermordet; Edith Mendel, Jahrgang 1921, deportiert 1941, Riga, ermordet 1943 Stutthof. Für sie sprach Keuck das Kaddisch, das jüdische Totengebet. Es folgte ein Moment des Schweigens.

Ergreifend war die Zeremonie für alle Anwesenden, besonders für die Schüler. Die aus der 9 c des Gymnasiums waren mit Geschichts- und Politiklehrerin Ursula Heider gekommen. Das Dritte Reich und den Rechtsextremismus behandeln sie seit Schuljahresbeginn. In einigen Familien wird über den Krieg gesprochen, wie einige Jugendliche berichteten. Doch nicht über das Schicksal der Juden. In der 7 b der St.-Anno-Hauptschule sind Toleranz, Hilfsbereitschaft und Diskriminierung Themen von Gruppenarbeiten, wie Lehrer Hans-Hermann Terkatz sagte.

"Niemand wagte, den Juden zu helfen", erzählte Stadtarchivar Keuck vor dem Haus Venloer Straße 24, wo Demnig den sechsten Stolperstein platzierte. Er erinnert an Eduard Mendel.

Der 1875 Geborene betrieb dort ein Textilgeschäft, bis Nazis in der Pogromnacht vom 9. November 1938 den Laden demolierten und Mendel acht Tage und Nächte lang ins Gefängnis steckten. 1942 wurde er ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert und dort am 16. Januar 1943 ermordet. Für ihn sprach Claudia Kurfürst vom Freundeskreis Stadtarchiv Straelen das Kaddisch. Die stellvertretende Bürgermeisterin Monika Mertens legte dort wie schon auf der Bahnstraße rote Rosen nieder.

Zwei weitere Stolpersteine legte Demnig vor das Haus Annastraße 7, zur Erinnerung an Siegfried und Emmanuel Hoffstadt. Drei Steine am Haus Mühlenstraße 10 stehen für die Familie Sanders, sechs am Haus Walbecker Straße 29 für weitere Hoffstadts. Wenn die Baustelle vor der Klosterstraße 3 fertig ist, folgen Steine für Josef und Johanna Sanders.

(RP)
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