Jüchen 21.500 Jodtabletten im Rathaus-Tresor

Jüchen · Für den Ernstfall ist vorgesorgt: Bei einem Atom-Gau können alle Kinder und Schwangeren in Jüchen mit einer Jodblockade gegen Schilddrüsenkrebs versorgt werden. Der Krisenplan steht bei der Gemeindeverwaltung.

 21.500 Jodtabletten sind jetzt im Tresor des Jüchener Rathauses eingelagert. Sie werden bei einem Atom-Gau verteilt.

21.500 Jodtabletten sind jetzt im Tresor des Jüchener Rathauses eingelagert. Sie werden bei einem Atom-Gau verteilt.

Foto: Norbert Wolf

Unsicherheit und diffuse Ängste schwingen bei der aktuellen Debatte um eine notwendige Jodtablettenverteilung im Falle eines Atom-Unfalles in einem der maroden belgischen Kraftwerke in Tihange und Doel mit: Das wurde erneut deutlich in der Sitzung des Sozial- und Rechtsausschusses. Bürgermeister Harald Zillikens informierte die besorgt nachfragenden Politiker, dass Jüchen mittlerweile zur Vorsorge ein Kontingent von 21.500 Jodtabletten im Rathaus-Tresor eingelagert habe.

 Die Jodtabletten sind in Sechserblistern verpackt.

Die Jodtabletten sind in Sechserblistern verpackt.

Foto: Norbert Wolf

Man gehe von 4000 Berechtigten im Alter bis 18 Jahren und geschätzten 200 Schwangeren aus, die mit Hilfe dieser Tabletten allerdings nur gegen einen möglichen Schilddrüsenkrebs geschützt werden könnten und sollten. "Gegen alle anderen Gesundheitsschäden, die durch Radioaktivität verursacht werden, sind die Jodtabletten unwirksam", betonte der Bürgermeister und warnte eindringlich: "Wenn diese Tabletten zu früh und von dem falschen Personenkreis genommen werden, dann sind sie sogar schädlich."

Erst bei der jüngsten Bürgermeisterkonferenz beim Rhein-Kreis Neuss habe er eine "griffig und möglichst in mehreren Sprachen formulierte" Informationsschrift über die richtige Einnahme der Jodtabletten vom Kreisgesundheitsamt eingefordert, sagte Zillikens den Jüchener Kommunalpolitikern. Denn diese hatten im Ausschuss gefordert, die Bevölkerung besser über den Gebrauch der Jodtabletten zu informieren. Wenn erst im Ernstfall die Ausgabe, wie vorgesehen, in den Turnhallen der drei Siedlungsschwerpunkte ablaufen müsse, bleibe nicht mehr die Zeit für die gebotene medizinische Aufklärung. Dann müsse es schnell gehen.

Dem stimmte Zillikens zu. Er werde für den Fall, "der hoffentlich niemals eintritt", wie er wiederholt betonte, mehrere Rathaus-Mitarbeiter pro Ausgabestelle dienstverpflichten müssen. Denn im Falle eines Atom-Gaus werde natürlich die Weisung an die Bevölkerung ergehen, die Häuser nicht zu verlassen. Auf der anderen Seite gebe es nur ein Zeitfenster von maximal acht Stunden nach Eintreffen der atomaren Wolke, in dem die Tabletteneinnahme überhaupt noch eine gewisse Aufnahmeblockade für das radiaktive Jod auslöse: So hatte es auch bereits der bekannte Nuklearmediziner Professor Lutz Freudenberg erläutert, den Zillikens zuvor in den Umweltausschuss nach Jüchen eingeladen hatte. Um dieses Zeitfenster einzuhalten, müssten dann alle Kräfte gebündelt und eben auch dienstverpflichtet werden.

Die Diskussion über die Jodtabletten endete einmal mehr in der Forderung und dem dringenden Wunsch des Bürgermeisters: "Wir hoffen alle, dass diese Uraltdinger endlich abgeschaltet werden." Damit zielte er auf den besorgniserregenden Zustand der belgischen Kernkraftwerke ab. Zillikens machte aber auch deutlich, dass Jüchen in der Fernzone der belgischen Kraftwerke in deutlich mehr als 100 Kilometer Entfernung liege: "Es gibt auch noch deutsche Kernkraftwerke in unserer Nähe." Die seien aber momentan nicht so im öffentlichen Bewusstsein.

(NGZ)
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