Kleve Zweite Klever Gesamtschule trägt Namen von Joseph Beuys
Kleve · Die zweite Klever Gesamtschule wird nach dem Weltkünstler Joseph Beuys benannt. Dafür votierten die Mitglieder im Hauptausschuss der Stadt Kleve einstimmig bei einer Enthaltung von Daniel Rütter (FDP). Rütter zeigte sich verunsichert, ob man angesichts der im Vorfeld angeschnittenen Vergangenheit des Klevers im Dritten Reich den Sachstand geprüft habe. Wolfgang Gebing (CDU), ließ keinerlei Zweifel aufkommen, dass man die Schule nach Beuys benennen solle - sein Wirken nach dem Krieg sei zweifelsfrei und von Weltbedeutung.
Mögliche dunkle Flecken in der Beuys-Biografie wurden schon Anfang der 1990er Jahre auf dem Beuys-Symposium in Kranenburg diskutiert, die Frage nach Beuys und seine Rolle als Hitlerjunge und später als Bordfunker in einem Sturzkampfbomber gestellt. 2013 hatte Hans Peter Riegel eine Biografie herausgebracht, die Beuys nach rechts rückte und seine Affinität zum Anthroposophen Steiner thematisierte. Riegel war später zur Diskussion im Resonanzraum Kunst im Museum Kurhaus.
2012 wurde in Krefeld die Diskussion geführt, ob der Platz vorm Kaiser-Wilhelm-Museum nach Beuys, der in Krefeld geboren wurde, benannt werden dürfte. Damals hatte Ron Manheim, zuvor stellvertretender Direktor von Schloss Moyland, in einem Brief an den Krefelder Rat vor einer Benennung als Beuys-Platz gewarnt. Der Platz wurde nach Beuys benannt, weil die vorgebrachten Argumente gegen den Künstler, so der damalige Chef des Krefelder Museums, Martin Hentschel, zu dünn seien und nicht im geringsten den international gültigen Rang von Joseph Beuys schmälern, der fast durchweg zusammen mit Andy Warhol als wichtigster Künstler der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts genannt werde.
Im Klever Museum Kurhaus sieht man das ähnlich: "Ich bin ungemein stolz und froh, dass sich Kleve nunmehr dazu entschlossen hat, einer seiner Schulen den Namen des großen Klever Sohnes zu geben, Joseph Beuys. Das war die richtige Entscheidung, denn die Bedeutung von Beuys ist auch über dreißig Jahre nach seinem Tod ungeschmälert", sagt Valentina Vlasic auf Anfrage, die Kuratorin der großen Beuys-Werklinien-Ausstellung in Kleve 2016 war. Die Ausstellung "Joseph Beuys - Werklinien" sei nach "Govert Flinck - Reflecting History" eine der besucherreichsten der letzten Jahre gewesen. In der Region habe man behutsam den Publikumsmagneten, die Werkanlage "Barrique D'Dull Odde" von Beuys, wieder ins neu renovierte Kaiser-Wilhelm-Museum Krefeld zurückgeführt, in ganz Deutschland werde die aktuelle "Beuys"-Dokumentation von Andres Veiel besprochen.
Wenn man an Beuys Namen zweifle, müsse man auch an Namen anderer historischer Persönlichkeiten zweifeln: "Einer solchen Annahme folgend würde sich auch jedwede weitere Beschäftigung mit anderen für Kleve relevanten historischen Persönlichkeiten unmittelbar untersagen - wie z.B. Johann Moritz von Nassau-Siegen, der im 17. Jahrhundert mit Sklavenhandel zu tun hatte", sagt Vlasic. In der Ausstellung über das Frühwerk von Beuys habe das Museum Kurhaus 2016 eindrucksvoll dargelegt, dass Beuys ein ernsthafter, in furchtbaren Zeiten aufgewachsener Mann war, der in der NS-Zeit sicherlich Fehler begangen habe, als er sich beispielsweise freiwillig zum Kriegdienst meldete, sich dann aber im Geiste der Freiheit zu einem bemerkenswerten Künstler entwickelt hat, der in die Welt gegangen ist, Kleve jedoch zeitlebens in Ehren gehalten habe. "Diese Ehrerbietung sollten wir ihm im Gegenzug nun ebenfalls entgegenbringen", sagt Vlasic.
Dass man die Kunst von Beuys in den Mittelpunkt der Betrachtung stellen sollte, und nicht die Biografie, konstatierte auch Kleves Museumsdirektor Prof. Harald Kunde - derzeit auf der documenta in Kassel - bei der Diskussion mit Riegel im Kurhaus: Warhols Kunst wirke immer noch aktuell, Beuys' Kunst hingehen wie aus einem anderen Jahrhundert. Wie aus der Urzeit: alt, archaisch. Oder ist gerade dieses Alte, Archaische das wirklich Junge, diese Utopie, die Beuys versuchte aufzubauen?, so damals seine These, die bis heute Stoff für einen spannenden Abend über Beuys liefert.
