Kampagne gegen Verkehrsunfälle Experten bezweifeln Wirkung der Schock-Videos der KVB

Köln · Die Kölner Verkehrs-Betriebe wollen mit schockierenden Videos für mehr Vorsicht im Straßenverkehr sensibilisieren. Verkehrspsychologen jedoch bezweifeln die Wirkung solcher Bilder.

Im Straßenverkehr passieren viele Unfälle durch Unaufmerksamkeit oder Leichtsinn. Die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) wollen mit der Kampagne "Mit Sicherheit mobil" darauf aufmerksam machen — unter anderem mit drastischen Videos. Die Kölner Polizei unterstützt die Aktion.

Die Videos wurden auf dem YouTube-Kanal der KVB und auf der Webseite der Kölner Polizei veröffentlicht. Das Video einer jungen Mutter, die unachtsam ihren Kinderwagen vor eine Stadtbahn schiebt, wurde auf der Facebook-Seite der KVB bis Donnerstagnachmittag bereits mehr als 45.000 Mal aufgerufen.

KVB-Sprecher Matthias Pesch begründet die Entstehung der Videos so: "Wir haben ausführlich diskutiert, ob wir diese gefährlichen Situationen in so drastischen Szenen zeigen sollen. Letztlich haben wir uns bewusst dafür entschieden, weil wir glauben, dies ist ein guter Weg, um auf die Kampagne aufmerksam zu machen." Das sei der Hauptgrund gewesen: "Wir wollten Aufmerksamkeit gewinnen", sagt Pesch. Auch die Polizei, die die Videos vorab zu sehen bekam, habe keine Einwände gehabt.

Wie viel bringen solche Filme, die auf einen Schock-Moment beim Zuschauer setzen? "Die Wirksamkeit ist schwer abzuschätzen", gibt der KVB-Sprecher zu. "Aber wir hoffen und setzen darauf, dass die Leute dadurch sensibilisiert werden."

Oft sind gerade junge Menschen durch Handys und Kopfhörer vom Geschehen auf Straße, Bürgersteig und Schiene abgelenkt. "Dass das ein Problem ist, steht außer Frage", sagt ein Sprecher der Kölner Polizei. "Wir hoffen, dass die Kampagne entsprechende Reaktionen bei den Menschen hervorruft."

Doch daran gibt es Zweifel. "Ich bin da äußerst skeptisch", sagt der Verkehrspsychologe Karl-Friedrich Voss. Dass man mit Schock-Bildern nicht viel erreichen könne, wisse man seit den 1970er-Jahren. "Das Problem bei solchen Filmen ist, dass man damit dem anderen das eigene Denken aufstülpt. Dabei ist das nicht übertragbar, denn jeder denkt anders."

Natürlich würden solche Videos angeklickt — aber die Clips hätten keine nachhaltige Wirkung, sagt auch die Psychologin Stephania Lanzillotta-Reichstein aus Düsseldorf. "Mit dem Nachlassen des ersten Schocks verfällt man in alte, gelernte Muster." Sie erinnert an die Schockbilder auf Zigarettenpackungen. Trotz dieser Fotos gebe es nach wie vor Raucher. Denn entweder würden die Menschen denken, dass ihnen so etwas nicht passiere. Oder sie würden die Bilder gar nicht erst wahrnehmen, sagt Voss. "Nur die Nichtraucher sehen die Schockbilder auf den Verpackungen, die Raucher übersehen das."

Deshalb könne die KVB mit den Videos zwar auf das Thema aufmerksam machen, aber sie werde damit das Verhalten von Menschen nicht verändern, glaubt Lanzillotta-Reichstein. Erfolgversprechender seien persönliche Gespräche, zum Beispiel bei Verkehrssicherheitswochen an Schulen, sagt Voss.

Die KVB-Videos werden in den sozialen Medien rege kommentiert - insbesondere auch von Radfahrern aus Köln. Manche werfen den Verkehrs-Betrieben eine einseitige Darstellung vor. Ein Nutzer kommentiert zum Beispiel: "Liebe Kölner Verkehrs-Betriebe AG - KVB, ich habe ein paar (echte, nicht gestellte) waghalsige Überholmanöver Eurer Fahrer gegenüber Radfahrern auf Video. Soll ich die mal zur Demonstration, wie man es besser nicht macht, zusammenschneiden?"

Eine Nutzerin schreibt: "Ja, sich so an einem Bus vorbeizuschlängeln geht gar nicht - aber ganz schön einseitiges Video, Kölner Verkehrs-Betriebe AG - KVB! Wie oft ich schon eng von Bussen überholt wurde, mit dem sich einfädelnden Bus-Hinterteil geschnitten wurde! Das ist höchste Gefährdung durch Busse, obwohl man vernünftig fährt!"

KVB-Sprecher Pesch sagte dazu unserer Redaktion: "Es liegt uns völlig fern, die Kölner Radfahrer zu kritisieren. Wir wollten nur die Gefahrensituationen darstellen. Uns ist bewusst, dass der allergrößte Teil der Radfahrer sich regelkonform verhält." In den KVB-Videos werden die schlimmen Szenen am Ende übrigens zurückgespult - dann wird den Zuschauern gezeigt, wie man sich richtig verhalten sollte.

(oko)
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