Mettmann Wie Asylbewerber in Mettmann leben müssen

Mettmann · Die Stadt Mettmann hat in den vergangenen Monaten 200 Asylbewerber aufnehmen müssen. In den Unterkünften leben Menschen aus 35 Nationen auf engem Raum. Viele fühlen sich allein gelassen mit ihren Problemen. Es fehlt an Betreuern. Und es gibt Klagen über den schlechten Zustand der Unterkünfte.

Die fünfköpfige Familie ist aus Aserbaidschan geflüchtet und lebt nun an der Kleberstraße. Die Kinder lernen in der Schule die ersten deutschen Wörter. Die Frau leidet unter schweren Erschöpfungszuständen.

Die fünfköpfige Familie ist aus Aserbaidschan geflüchtet und lebt nun an der Kleberstraße. Die Kinder lernen in der Schule die ersten deutschen Wörter. Die Frau leidet unter schweren Erschöpfungszuständen.

Foto: Dietrich Janicki

Es ist ein Leben auf der Bettkante. Immer auf dem Sprung ins Ungewisse. Vor Monaten haben sie in der Heimat die Koffer gepackt. Mitgereist sind auch die Erinnerungen. Von der dortigen Polizei verfolgt, die Kinder durften in der Heimat nicht zur Schule gehen: Für die fünfköpfige Familie aus Aserbaidschan gab es vielleicht keine andere Möglichkeit. Sie sind in ein Auto gestiegen. Wohin die Reise geht? Das wusste keiner so genau. Angekommen sind sie in Mettmann - im Asylbewerberheim an der Kleberstraße. Mitten im Gewerbegebiet, aber doch am Rand der Stadt.

Nun hocken sie seit vier Monaten auf der Bettkante. Manchmal auch auf dem Fußboden. Die Kinder machen Hausaufgaben, sie gehen in Mettmann zur Schule, lernen die ersten Brocken Deutsch. Drei Stühle stehen gestapelt in einer Ecke. Es ist kaum Platz zwischen den Etagenbetten und Kleiderschränken. "Meiner Frau geht es nicht gut, ihr ist alles zu laut", sagt der Ehemann. In der Hand hält er ein Attest - seine Frau leidet unter schweren Erschöpfungszuständen. Direkt nebenan teilen sich vier Männer aus Bangladesch ein Zimmer. Zwei Kühlschränke sind übereinandergestapelt, einen davon haben sie vom Sperrmüll geholt. Auf einem Schränkchen stehen drei Kochtöpfe. Daneben ein Teller mit Besteck. Gegessen wird auf der Bettkante. Auch wenn es einen kleinen Tisch gibt, könnten nicht alle daran sitzen. Die Luft ist stickig, aus dem Flur ziehen Essengerüche herein. Lüften? Fehlanzeige! Die Fenster sind nicht dafür vorgesehen, dass sie jemand aufmacht. Frische Luft kommt nur durch die Oberlichter. Auf einem der Schränke steht zwar ein Fernseher, doch der funktioniert nicht.

Im Keller befinden sich Toiletten, Duschen und eine Küche. Dort steht ein Topf auf dem Herd. Zwei Kochgelegenheiten, zwei Spülen aus einer Großküche: Ansonsten ist der Raum leer. Es riecht muffig. Der Herd sieht nicht so aus, als könnte man sich darauf etwas leckeres kochen. Sauber gemacht hat da schon lange niemand mehr, rund um die Platten sind Essensreste festgebacken. Die Backofentür sieht schon von außen so aus, dass man sie besser nicht öffnen möchte. Obwohl eigentlich genug Platz für einen Tisch wäre, mit dem vielleicht auch ein wenig Gemeinschaftsgefühl einziehen könnte.

Mit ein paar Schritten ist man aus der Küche im sogenannten "Garten". Dort ist zwar vor kurzem der Rasen gemäht worden, doch ansonsten sieht es aus wie "Kraut und Rüben". Ein paar Fahrräder liegen in den Brombeerhecken, Kinder möchte man dort nicht spielen lassen. In der Unterkunft an der Kleberstraße leben jetzt schon 40 Asylbewerber. Sollte die obere Etage ausgebaut werden, könnten es bald noch mal 20 mehr sein. Natürlich kommt es auch mal zu Streitigkeiten. Einer trinkt Alkohol, der andere ist streng gläubig - Konflikte sind programmiert, schon häufiger musste die Polizei gerufen werden. In der Unterkunft gibt es keinen Hausmeister oder Sozialarbeiter, der ständig vor Ort ist.

Man kann den Eindruck gewinnen, dass die Menschen weitgehend sich selbst überlassen sind. Es scheint niemanden zu kümmern, ob die Toiletten, die Backöfen, die Spülen und die Duschen regelmäßig gereinigt werden. Der Verein "Mettmann gegen Rechts - Für Menschenwürde" erhebt schwere Vorwürfe. Die Flüchtlinge hätten zum Teil nur fünf Quadratmeter Platz zum Leben. Die Unterkünfte würden nicht gut genug von der Stadt unterhalten, es fehle an Glühbirnen, verschließbaren Türen und Fenstergriffen. In einem Bürgerantrag, der nächste Woche beraten wird, fordert der Verein die Beseitigung der Mängel.

Astrid Hinterthür, Fachbereichsleiterin Soziales bei der Stadt Mettmann, kennt die Vorwürfe und die Probleme. "Wir haben im Mai/Juni auf einmal 90 Asylbewerber bekommen", sagt Hinterthür. Das kann schon mal sehr schnell gehen: Die Stadt erhält ein Fax von der Bezirksregierung, am nächsten Tag stehen die Familien oder Einzelpersonen vor der Tür. Container, Zelt, Wohnung - es gebe keine bestimmte Vorschrift, wie eine Stadt Asylbewerber unterbringen müsse. "Sie haben hier ein festes Dach über dem Kopf, eine Dusche, eine Kochgelegenheit", sagt Astrid Hinterthür. Jede Einzelperson erhält von der Stadt den Betrag von 362 Euro im Monat ausgezahlt - Essensgutscheine gibt es in Mettmann nicht.

Im Fall einer Familie sieht es folgendermaßen aus 362 Euro für den Haushaltsvorstand, 326 Euro für die Ehefrau plus 218 bis 280 Euro für jedes Kind. Macht bei einer vierköpfigen Familie: mindestens 1124 Euro im Monat. "Ich bin mir sicher: Von dem Geld kann man sich gesund ernähren. Da braucht keiner zur Mettmanner Tafel gehen", sagt Astrid Hinterthür. Es sei den Asylbewerbern auch zuzumuten, sich davon mal eine neue Glühbirne für ihr Zimmer zu kaufen.

Die Vorwürfe, die Flüchtlinge hätten zu wenig Platz, ärgern sie. "Es ist doch klar, dass wir Einzelpersonen zusammen legen und Familien ihr eigenes Zimmer erhalten", sagt Hinterthür. Man könne sich auch in den Gemeinschaftsräumen aufhalten. Sollten von den Asylbewerbern Mängel in den Unterkünften gemeldet werden, arbeiten sie die Hausmeister nacheinander ab. Doch Astrid Hinterthür sagt auch ganz klar: "Die Stadt Mettmann hat nicht das Personal, um sich um bis zu 200 Asylbewerber zu kümmern. Da stoßen wir schnell an unsere Grenzen". Nun seien Ehrenamtler gesucht und gefordert. Mit dem Bündnis für Zivilcourage und dem Integrationsrat habe es in dieser Hinsicht bereits erste Gespräche gegeben.

Für die Familie aus Aserbaidschan wird es erst einmal weiter gehen wie bisher. Es ist ein Leben auf der Bettkante. Was bleibt ist die Hoffnung, dass es irgendwann besser wird.

(magu)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort