Mönchengladbach Reine Familiensache

Mönchengladbach · Sechs Familienunternehmen in Mönchengladbach haben jeweils mehr als 300 Millionen Euro Jahresumsatz. Alle sind inhabergeführt.

Mönchengladbach: Reine Familiensache
Foto: Weber

Egal ob Möbel, Chemie oder Maschinenbau: In Mönchengladbach sind einige der größten Familienunternehmen Deutschlands zu Hause. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY und der Vernetzungsdienstleister Matchbird haben 678 Familienunternehmen mit einem jährlichen Umsatz von mehr als 300 Millionen Euro untersucht. Das Ergebnis: Allein sechs Familienunternehmen in Mönchengladbach sorgten 2014 für mehr als 4,4 Milliarden Euro Umsatz und 24.524 Arbeitsplätze. Eine schafft es sogar in die bundesweite Top 100. Die Aunde Group der Familie Bolten ist mit 100 Werken in 27 Ländern einer der größten Autozulieferer der Welt, den Stammsitz aber haben sie am Niederrhein.

"Mönchengladbach ist eine Stadt, die sehr vom Mittelstand geprägt wird. Das sehe ich aber als Vorteil", sagt Ulrich Schückhaus, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung. "Das sind alles Unternehmen, die sich sehr engagieren, in der Wirtschaft wie in der Gesellschaft", sagt Schückhaus. Und: Alle auf der Liste sind inhabergeführt, das ist längst nicht bei jeder Stadt der Fall. "Das sind sehr aktive Unternehmer", sagt Schückhaus.

Nicht im Ranking für Mönchengladbach taucht die SMS Group auf. Sie hat ihren Hauptsitz in Düsseldorf, viele Mitarbeiter sind aber bereits in Mönchengladbach tätig. Ob auch der Sitz verlegt wird, ist derzeit noch offen. Hamburg führt die Liste mit 34 Unternehmen an, Düsseldorf kommt mit 16 auf Platz zwei. Die Hauptstadt Berlin kann nur ein Familienunternehmen mehr aufweisen als Mönchengladbach.

Die Auswertung zeigt auch: Die Chefetagen der Top-Familienunternehmen mit Sitz in Mönchengladbach werden noch von Männern dominiert. Einzig beim Chemiehandel Overlack ist demnach mit Sabine Moritz eine Frau im Vorstand. Das könnte sich in den kommenden Jahren aber ändern: "Das ist ein Trend, der sich bei Familienunternehmen verstärkt beobachten lässt", sagt Peter Englisch, Partner und Leiter der Mittelstandsaktivitäten von EY. "Bei immer mehr Familienunternehmen setzen sich auch Frauen durch. Zunächst aus Überzeugung. Dazu kommt aber auch, dass durch Familienfolge ganz natürlich Frauen in die Unternehmensführung nachrücken", sagt Englisch.

Der Standortfaktor ist bei den Unternehmen ein entscheidender: "Dabei ist immer die Frage wichtig: Gibt es einen Ort, an dem alles begann?", sagt Peter Englisch. Dort bleibe dann häufig auch der Hauptsitz des Unternehmens, egal an wie viele Standorte man weltweit expandiere. Bei Familienunternehmen gehe es eben noch stärker um Werte wie Nachhaltigkeit.

Aber es gibt auch eine Kehrseite der Medaille: "Zwei Drittel der gescheiterten Familienunternehmen geben Vertrauensverlust und Konflikte innerhalb der Familien als Gründe an", sagt Englisch. Fast immer spiele dabei das "magische Dreieck" von Geld, Macht und Liebe eine Rolle. Während sich Streit um Geld und Macht durch entsprechende Zahlungen und Postenverteilungen relativ schnell beruhigen lässt, ist es bei der Liebe, also der Beziehung von Familienmitgliedern untereinander, schwieriger. "Wenn jemand das Gefühl hat, er werde ungerecht behandelt, kann es schnell irrational werden, und Streits können außer Kontrolle geraten", sagt Englisch. Damit es dazu gar nicht erst kommt, müssen die Spielregeln klar definiert sein - da gebe es gerade bei deutschen Familienunternehmen noch einiges aufzuholen, sagt der Experte. Somit kommt die Studie auch zu einem klaren Ergebnis: Wer die Balance zwischen Familien- und Unternehmensinteressen halten kann, bleibt über Generationen hinweg erfolgreich."

Gemeinsam haben die bundesweit 678 untersuchten Familienunternehmen einen Gesamtumsatz von 1,48 Billiarden Euro - ein Wert, der ungefähr dem kombinierten Bruttoinlandsprodukt von Spanien und Schweden entspricht.

(lukra)
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