Neuss BMW wirft Whitesell Erpressung vor

Neuss · Rat versucht Schraubenfabrik mit Resolution zu retten. Betriebsrat klagt beim Arbeitsgericht Sozialplan ein.

 Karlheinz Salzburg, Betriebsratsratsvorsitzender von Whitesell, und Nihat Öztürk von der IG Metall (r.) verfolgten mit vielen Beschäftigten die Ratssitzung mit, in der eine einstimmige Resolution für den Werkerhalt verabschiedet wurde.

Karlheinz Salzburg, Betriebsratsratsvorsitzender von Whitesell, und Nihat Öztürk von der IG Metall (r.) verfolgten mit vielen Beschäftigten die Ratssitzung mit, in der eine einstimmige Resolution für den Werkerhalt verabschiedet wurde.

Foto: woi

Morgens Arbeitsgericht und nachmittags Rat: Karlheinz Salzburg, Betriebsratsvorsitzender der Firma Whitesell (Bauer & Schaurte) war gestern an vielen Fronten für die von Schließung bedrohte Schraubenfabrik gefordert. Während es bei Gericht, wo der Betriebsrat einen Sozialplan für die schon ab Januar von Kündigung bedrohte Belegschaft eingeklagt hat, am Freitag kein Ergebnis gab, konnten Salzburg und etliche seiner Kollegen aus der Ratssitzung gleich zwei Dinge mitnehmen: Eine einstimmig vom Rat beschlossene Resolution, mit der sich das höchste politische Gremium der Stadt hinter die 300-köpfige Belegschaft stellt, und die Zusage der Verwaltung, ein Kaufangebot für die Fabrik aufrecht zu erhalten.

CDU und Grüne hatten den Resolutionsentwurf formuliert, dem sich alle Fraktionen anschlossen. Denn die Empörung über den amerikanischen Investor, der die Firma Anfang des Jahres aus der Insolvenz übernommen hatte und nun, wie es Reiner Breuer (SPD) vermutet, "bewusst vor die Wand fahren will", ist ungeteilt. "Ein unglaublicher Vorgang", sagte Michael Klinkicht von den Grünen dazu.

Belegschaft und IG Metall hatten vor der Übernahme gewarnt, den Insolvenzverwalter aber nicht überzeugen können. Seitdem wurde mehr als einmal die Klage erhoben, Whitesell würde mit einem unmöglichen Geschäftsgebaren Kunden verprellen und so die Existenz der Unternehmensgruppe mit fünf Werken in Deutschland riskieren. Das war von der Konzernleitung, die sich ansonsten öffentlich ausschweigt, zurückgewiesen worden.

Das Dementi klingt allerdings hohl angesichts eines Statements aus dem Hause des Automobilbauers BMW, der mit Whitesell zähneknirschend einen Vertrag schließen musste. "Ein klarer Fall von Erpressung", sagt ein Firmensprecher, denn zuvor hatte der Schraubenzulieferer widerrechtlich, wie BMW betont, mit einem umfassenden Lieferstopp gedroht. "Dabei war sich Whitesell bewusst, dass ein Lieferstopp unweigerlich zu längerer Produktionsunterbrechung in allen BMW-Fahrzeugwerken geführt hätte." Für Bürgermeister Herbert Napp ein Punkt mehr, der ihn nur den Kopf schütteln lässt: "Diese Strategie ist mir völlig schleierhaft."

Salzburg bestätigt den Verlust von einigen anderen Großkunden. "Wir können nur noch in bescheidenem Rahmen produzieren", sagt er. Und er beobachtet den Exodus der Fachkräfte. "Viele Gute und Hochqualifizierte sind weg", sagt er - "aber wir funktionieren noch".

Vielleicht lohnt sich das Ausharren ja, vielleicht ist der Ofen noch nicht ganz aus. Im amerikanischen Mutterhaus, so referierte Napp gestern im Rat ein Gespräch des Betriebsrates mit der Konzernführung, werde eine Abgabe des Werkes offenbar doch nicht mehr kategorisch ausgeschlossen. Die Stadt werde deshalb ihr Angebot, Grundstück und Werk zu kaufen, erneuern und auch wieder Kontakt zu den beiden deutschen Interessenten aufnehmen, die die Fabrik pachten und weiter betreiben wollten. Dieser Deal sei kurzfristig möglich, hieß es. Mit diesen Interessenten werde die Stadt dann auch die Verlagerung von dem innenstadtnahen Standort in ein Industriegebiet erörtern.

(NGZ)
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