Remscheid Dem Krieg entkommen, doch nicht der Angst

Remscheid · 500 Flüchtlinge leben in der Stadt - darunter eine syrische Familie, die um Verwandte in Kobane bangt. Stadt will betreuen, nicht bewachen.

 Wallid und Abib Mohamad können wieder lächeln. In Lennep haben sie ein neues Zuhause gefunden. Daniela Krein steht ihnen als Betreuerin zur Seite.

Wallid und Abib Mohamad können wieder lächeln. In Lennep haben sie ein neues Zuhause gefunden. Daniela Krein steht ihnen als Betreuerin zur Seite.

Foto: Hertgen

Als der Krieg nach Aleppo kam, hatte Wallid Mohamad nicht viel Zeit, etwas zusammenzupacken. Was in die wenigen Koffer und Kisten passte, nahm er mit. Alles andere ließ er zurück. Das Wichtigste war dem Mann, der bis dahin in einer Schuhfabrik gearbeitet hatte, die Familie: Seine Frau und die sechs Kinder, drei Jungs und drei Mädchen im Alter von zehn bis 23 Jahren, sollten nicht sterben im Kugel- und Granatenhagel eines grausamen Bürgerkriegs, dessen Ende nicht absehbar ist.

Seit zehn Monaten wohnt die Familie nun im Lenneper Flüchtlingshaus, einem ehemaligen Mädchenwohnheim. Die achtköpfige Familie hat dort eine einfach möblierte Vier-Zimmer-Wohnung mit 116 Quadratmetern bezogen. "Wir fühlen uns wohl hier", sagen Mohamad und seine Frau übereinstimmend. Die jüngeren Kinder besuchen die Schule, eines der Mädchen ist an dem Tag mit dabei beim Ferienangebot des Kinderzirkus Casselly. Der 18-jährige Abib will sich gleich auf den Weg ins Röntgenstadion machen, wo er sich mit Freunden zum Fußball verabredet hat. Sein Vorbild ist Superstar Lionel Messi.

Die Mohamads sind angekommen in Remscheid, und doch sind sie mit ihren Gedanken in Syrien geblieben. In der Nähe der so hart umkämpften Stadt Kobane an der türkischen Grenze befinden sich noch Verwandte Mohamads, die dort vor den Terrormilizen des IS Zuflucht gesucht hatten. Der Telefonkontakt ist abgerissen.

"Eine typische Flüchtlingsgeschichte", sagt Michael Sternkopf, Leiter des Zentraldienstes für Integration und Migration der Stadt. Ohne Habe und Sprachkenntnisse stranden Flüchtlinge in Remscheid. Etwa 500 hat die Stadt bisher in vier Wohnheimen und 20 einzelnen Wohnungen aufgenommen. Weitere 300 erwartet Sternkopf nach Bundesprognosen im kommenden Jahr. Vor allem auch durch die Erfahrungen der Flüchtlingsströme aus dem Balkan in den 90er Jahren ist Remscheid gut vorbereitet.

Damals wurden 1900 Flüchtlinge aufgenommen. Viele, vor allem alleinstehende Männer, wurden damals noch in Massenunterkünfte gepfercht. "Fünf Quadratmeter pro Flüchtling waren vorgeschrieben", erinnert sich Sternkopf. Das hat sich geändert. Die Unterkünfte seien inzwischen großzügiger gestaltet. Familien seien in eigenen Wohnbereichen untergebracht, mit eigener Küche und Badezimmer. Einen Sicherheitsdienst gibt es in Remscheid nicht.

Misshandlungs-Vorwürfe: das Flüchtlingsheim in Burbach
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Foto: dpa, fg jhe

Statt dessen kümmern sich 25 Hausmeister und drei Sozialarbeiter, einer davon mit halber Stelle, um die Menschen. "Wir wollen betreuen, nicht bewachen", sagt Sternkopf. Viele Flüchtlinge seien traumatisiert, manche auch körperlich verletzt, berichtet Daniela Krein vom Betreuungsverein BAF (Betreuen, Annehmen, Fördern). Ein weiteres Problem: Wegen ihres Asylstatus dürfen sie nicht regulär arbeiten. Einzelne haben immerhin einen Ein-Euro-Job in einer nahegelegenen Holzschneiderei. "Die meisten wollen keine Almosen", sagt Krein. "Sie wollen was tun und der Gesellschaft etwas zurückgeben."

(RP)
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