Analyse Remscheid - eine Stadt im Aufwind

Remscheid · Es gibt Anzeichen dafür, dass sich in dieser Stadt viel verändert. Die Stimmung unter den Bürgern ist gut, die Schuldenkrise aber bleibt weiterhin ungelöst.

Wer mit dem Auto von Lennep regelmäßig in die Innenstadt nach Remscheid fährt, muss sich seit ein paar Monaten mit einer ungewohnten Gefühlslage vertraut machen. Es rattert und ruckelt nicht mehr auf der Lenneper- und NeuenkamperStraße. Sind das Anzeichen für einen Aufschwung? Wird das Ende der ewigen Flickschusterei langsam eingeläutet? Befindet sich die Stadt im Aufwind? Im Nörgeln über seine Stadt erreicht der Remscheider traditionell Spitzenwerte.

Aber auch den letzten Nörglern wird nicht entgangen sein, dass sich in der Stadt Entwicklungen anbahnen, die man lange Zeit nicht für möglich gehalten hat. Aber bevor wir anfangen, Indizien für einen Aufwind zu suchen, sei ein kleiner Rück- und Ausblick auf die Feierlaune in RS erlaubt. Winzerfest und Bauernmarkt, Altstadtfest und Oktoberfest, 3000 Besucher beim Konzert der Bergischen Symphoniker in der Wagenhalle der Stadtwerke, Esskultur und Kulturnacht, Buderusrunde und Röntgenlauf - das sind alles feste Termine im Feiertagskalender. Die Löwenparade und der WDR-Tag auf dem Schützenplatz mit 20 000 Besuchern zeigten Remscheid in einem sympathischen Licht. Manche sprechen von einem neuen Bürgerstolz. Diese Beschreibung ist vielleicht zu hoch gegriffen, gründet sich dieser Stolz doch in erster Linie auf der Euphorie der guten Stimmung.

Gute Stimmung, die aufgrund von harter und guter Arbeit entsteht, ist in vielen Remscheider Betrieben zu verzeichnen. Die guten Wirtschaftsdaten sind das Ergebnis von strategisch klugen Entscheidungen der Unternehmer, die nach der Wirtschaftskrise 2009/10 sofort wieder mit ihren Produkten auf dem Markt waren. Es gibt aber erste Dellen in der Konjunktur. Die Fragezeichen wachsen. Die Fragezeichen für das geplante Designer Outlet Center in Lennep schrumpfen. Es zweifelt kaum jemand daran, dass das DOC und mit ihm eine neue Sportanlage in Hackenberg in zweieinhalb Jahren Lennep verändert haben wird. Im Schlepptau dieser Entwicklung scheinen viele Projekte reif zu werden.

Die Erdbeerfelder in Bergisch Born werden Gewerbegebiet, für das Hertie-Gebäude gibt es Investoren, die Lenneper Krankenhausruine weicht neuen Wohnungen, und der Lenneper Bahnhof ist verkauft. Ein Multiplex-Kino am Hauptbahnhof, eine neue Berufsschule und zwei Dreifachsporthallen stehen auf der Prioritätenliste. Diese Stadtentwicklung ist eng mit einem Namen verbunden: Sigrid Burkhart. Die neue Stadtplanerin hat innerhalb von zwölf Monaten mehr geschafft als ihr Vorgänger in zwölf Jahren. Der Aufwind könnte sich jedoch schnell als laues Lüftchen erweisen, wenn das Haushaltssicherungskonzept platzt. Es beginnt zu bröckeln. Die Gewerbesteuereinnahmen brechen ein, und die sogenannten Präventionsketten im Sozialbereich erscheinen als Luftbuchungen. Die Strangulierung durch 600 Millionen Euro Schulden ist mit dafür verantwortlich, dass sich hinter dem frischen Aufwind ein Klima der Angst verbreitet. Sie lässt sich nur im Vergleich beschreiben. In den 70er Jahren hatten die Remscheider das Gefühl, sie hätten die beste Zeit noch vor sich. Heute glauben viele, das Schlimmste stehe noch bevor.

Die zwei Vertreter von Pro NRW im Rat machen Remscheid hässlicher. Das echte, freundliche Herz dieser Stadt zeigt sich aber nicht auf glattem Asphalt, sondern in kleinen Begegnungen am Rande. Wie im Circus Casselly. Zu den 300 Kindern beim Herbstferienprogramm gehörten fünf Flüchtlingskinder aus Syrien. Betreut wurden sie von einem Mädchen, das selbst vor fünf Jahren als Flüchtling nach Remscheid kam. Sie erzählte ihnen, wie gut ihr diese Stadt tue.

(RP)
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