40 Jahre Rhein-Kreis Neuss Die Lehrerin des Kreises in Sachen Hygiene

Rhein-Kreis Neuss · Ein Satz aus der Zeit ihrer Ausbildung ist Jennifer Weber besonders im Gedächtnis geblieben. "Sie sind unsere Zukunft, deshalb sollen Sie sich hier wohl fühlen?, hat einer meiner Vorgesetzten mal zu mir gesagt. Das hat mich wahnsinnig motiviert", sagt Weber, die 2012 ihre Ausbildung zur Verwaltungswirtin im mittleren Dienst begonnen hat. Seit Juli vergangenen Jahres arbeitet die 22-Jährige in der Abteilung Gesundheitsverwaltung/Apothekenaufsicht im Gesundheitsamt Rhein-Kreis in Grevenbroich.

 Jennifer Weber vom Kreisgesundheitsamt gibt Vertretern klassischer Berufe aus der Lebensmittelbranche wie Metzgern, Köchen oder Bäckereifachverkäufern genauso eine Einweisung in Hygienebestimmungen wie Ehrenamtlern, die mit Lebensmitteln zu tun haben.

Jennifer Weber vom Kreisgesundheitsamt gibt Vertretern klassischer Berufe aus der Lebensmittelbranche wie Metzgern, Köchen oder Bäckereifachverkäufern genauso eine Einweisung in Hygienebestimmungen wie Ehrenamtlern, die mit Lebensmitteln zu tun haben.

Foto: Linda Hammer

"Hier hat es mir von Anfang an am besten gefallen. Man durchläuft ja verschiedene Ämter und Stationen, aber die Arbeit und die Atmosphäre im Gesundheitsamt haben mich direkt begeistert, ich wurde hier sehr herzlich aufgenommen", sagt Weber. Dass ihr Schreibtisch nun tatsächlich in ihrem "Lieblingsamt" steht, war vorher keineswegs abzusehen. "Jeder Azubi, der die Ausbildung beendet hat, darf zwar Wünsche äußern, wo er künftig eingesetzt wird. Meistens klappt das aber aus verschiedenen Gründen nicht. In meinem Jahrgang war ich die einzige, die ihren Wunschplatz bekommen hat, ich hatte richtig großes Glück."

Jennifer Weber, die sich ihr helles Büro im Erdgeschoss mit einer Auszubildenden teilt, ist für die sogenannte Belehrung nach dem Infektionsschutzgesetz zuständig. Dieser muss sich jeder Arbeitnehmer oder Ehrenamtler unterziehen, der in irgendeiner Weise mit Lebensmitteln zu tun hat - maximal drei Monate, bevor er die Tätigkeit antritt. Dazu gehören nicht nur Vertreter klassischer Berufe aus der Lebensmittelbranche wie Metzger, Köche oder Bäckereifachverkäufer. Erzieher, die Kindern die Brotdose öffnen, Altenpfleger, die Mahlzeiten reichen oder Kellner, die mit Geschirr und Besteck in Berührung kommen, müssen auch die Schulbank bei Jennifer Weber drücken. "Gesetzlich ist es jedenfalls so vorgeschrieben", sagt die gebürtige Grevenbroicherin. Ob die Teilnehmer das Gelernte wirklich umsetzen, kann Jennifer Weber nicht überprüfen. "Das machen die Kollegen von der Lebensmittelüberwachung, sie sind sozusagen das ausführende Organ."

Etwa 180 Leute aus dem gesamten Rhein-Kreis-Neuss belehrt Jennifer Weber pro Woche, die einzelnen Gruppen bestehen aus maximal 60 Teilnehmern. Eine Arbeit, die für ihren Chef sehr wichtig ist. "Über die Erstbelehrung haben wir einen intensiven Kontakt zur Bevölkerung", sagt Dr. Michael Dörr, Leiter des Kreisgesundheitsamtes.

Regelmäßig vor so vielen Menschen zu reden, macht der Verwaltungswirtin inzwischen nichts mehr aus. "Meine erste eigene Belehrung habe ich in Dormagen vor 20 Leuten gehalten, natürlich war ich da aufgeregt. Ab dann ging es aber sehr gut. Und irgendwann ist es auch egal, ob man vor 20 oder 60 Menschen redet." Zur Belehrung, gehört zusätzlich ein Film, der die richtigen Verhaltensweisen am Arbeitsplatz bezüglich der Hygienevorschriften erklärt. Außerdem erläutert ein Amtsarzt, mit welchen Symptomen die Arbeit gar nicht erst angetreten werden darf, wie bestimmte Hautkrankheiten oder Durchfall. "Diese Informationen sind doppelt wichtig, denn wenn sich die Leute nicht daran halten, schaden sie sowohl sich selbst, als auch anderen. Ihnen droht ein Bußgeld, Dritte hingegen könnten durch sie angesteckt werden. Das Ziel der Belehrung ist, dass die Leute eigenverantwortlich und vernünftig handeln", erklärt Weber, die plant, in zwei Jahren zusätzlich ein Studium an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in Köln aufzunehmen.

Nicht immer trifft Jennifer Weber auf Einsicht und Verständnis bei den Teilnehmern. "Viele wundern sich zum Beispiel, dass man in diesen Berufsbereichen während der Arbeit keinen Schmuck tragen darf." Piercings, Ringe, aber auch lange Fingernägel sind tabu - aus gutem Grund. "Das klassische Beispiel ist, dass eine Erzieherin das Mittagessen für die Kinder vorbereitet, ihr das Nasenpiercing in den Kartoffelbrei fällt und ein Kind sich anschließend daran verschluckt", erläutert Weber.

Auch wenn sich die meisten Zuhörer durch solche Beispiele schnell überzeugen lassen, erlebt die Mitarbeiterin im Gesundheitsamt auch immer wieder Reaktionen, die sie schmunzeln lassen. "Auch Schüler, die ein Praktikum absolvieren wollen, müssen eine Belehrung mitmachen. Wenn ich ihnen klar mache, dass sie ihre heiß geliebten Festivalbändchen abnehmen müssen, weil sich darunter viele Keime ansiedeln können, guckt sich der eine oder andere tatsächlich nach einem neuen Praktikumsplatz um, an dem er nichts mit Lebensmitteln zu tun hat", sagt Weber. Einwände und Fragen der Teilnehmer nimmt sie ernst und erläutert, wenn nötig, geduldig erneut den Sinn der Paragrafen. Aber auch eine Mischung aus Gelassenheit und Humor macht ihre Belehrungen aus. "Ich versuche, das Ganze immer unterhaltsam und ruhig auch mal humorvoll zu gestalten. Wenn ich die Belehrung beendet habe, sage ich oft: Ich habe das Gesetz nicht erfunden, Sie können sich jetzt gern bei mir beschweren, ändern kann ich an den Bestimmungen allerdings auch nichts."

Obwohl sie in ihrem Job auch lernen musste, mit Beschwerden von Teilnehmern umzugehen, ist es gerade die Arbeit mit den Menschen, die ihr Spaß macht. "Es gibt immer wieder Leute, denen man es einfach nicht recht machen kann, das ist überall so. Aber insgesamt ist es sehr angenehm und spannend, ich lerne so viele verschiedene Leute aus unterschiedlichen Bereichen kennen, wo hat man das sonst schon?"

Auch Kreativität ist in ihrem Beruf schon mal gefragt, Jennifer Weber erinnert sich an ihre bisher ungewöhnlichste Belehrung. "Wegen einer Kehlkopfentzündung hatte ich überhaupt keine Stimme mehr, der Termin stand aber, und ich wollte die 60 Leute nicht alle wieder nach Hause schicken. Mit Hilfe von Power-Point, Händen und Füßen ging es dann irgendwie, man weiß sich eben zu helfen", erinnert sie sich lachend. "Am Ende stelle ich ja immer noch für jeden Einzelnen die Bescheinigung der Teilnahme aus, das ging dann auch ohne Stimme."

Auf die Frage, ob ihr Job Auswirkungen auf den privaten Alltag hat, winkt die Verwaltungswirtin aber ab. "Natürlich achte ich auf Sauberkeit, aber nicht mehr als jeder andere normale Mensch auch. Ich bin nach wie vor niemand, der ständig mit Desinfektionsmittelchen und Hygienespray durch die Gegend läuft."

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