Korschenbroicher Stadtarchiv Ausstellung zeigt Lebensschicksale

Korschenbroicher Stadtarchiv · Von Carsten Greiwe

Von Carsten Greiwe

Im Korschenbroicher Stadtarchiv wird die Vertreibung der Ostdeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg dargestellt. Im Mittelpunkt stehen Menschen, die in Glehn eine neue Heimat gefunden haben. Ab August wird die Schau im Alten Glehner Rathaus gezeigt. Das Elternhaus der Vertriebenen Ilse Willer, so wie es einst in Niederschlesien stand. Das Foto ist in der Ausstellung im Korschenbroicher Stadtarchiv zu sehen. Seit 1958 ist Ilse Willer in Glehn ansässig. NGZ-Foto: Stadtarchiv

Ilse Willer war gerade mal sieben Jahre alt, als die Familie mit Sack und Pack den heimatlichen Ort Thomaswaldau in Niederschlesien verlassen musste. "Die Nacht, als Dresden bombardiert wurde und in Flammen stand, war auch für uns eine schreckliche Nacht", erinnert sich die heutige Glehnerin. Dass sie überhaupt wieder an diese entbehrungsreiche Zeit zurückdenkt, ist einem Projekt zweier Duisburger Studentinnen zu verdanken, die sich mit den Vertriebenenschicksalen befasst haben.

Eine Ausstellung im Korschenbroichener Stadtarchiv stellt die schweren Schicksale von Flüchtlingen vor, die ins Rheinland kamen. Mehtap Özcan und Tatjana Bergheim haben mit fünf Glehnern gesprochen, die dort eine neue Heimat finden mussten. Sie haben in ihren Interviews die Erinnerungen wachgerufen. Darunter auch Ilse Willer, die ihre Gedanken selbst zu Papier gebracht hat. Es war der 13. Februar 1945. Die Rote Armee war auf breiter Front durchgebrochen und nach Ostdeutschland einmarschiert.

In jenen Februar-Tagen standen sie nur sechs Kilometer vor dem Heimatdorf von Ilse Willer. Die Kinder der Familie schliefen bereits, als abends um 22 Uhr der Befehl kam, das Dorf zu räumen. "Bei Schnee und Eis wurden die Pferde eingespannt", berichtet sie. Doch die Flucht kam nicht überraschend: "Der Wagen war schon Tage vorher mit dem Nötigsten vollgepackt worden und mit einem Dach aus Zeltplanen bespannt." Der kleine Track von rund einem Dutzend Wagen machte sich auf den Weg in Richtung Hohenfriedeberg am Fuße des Riesengebirges.

"Glatteis und Kälte waren unsere größten Feinde", sagt Willer. Schließlich landete die Familie im Sudetenland, als sich der Frühling langsam meldete. Der erste Gedanke galt den Feldern in Niederschlesien, die schließlich bestellt werden mussten. Also beschloss die Familie, wieder den Heimweg anzutreten. An eine endgültige Vertreibung dachte niemand. "Nun ging es den gesamten Weg wieder zurück." Die Russen hatten das Land besetzt. "Im Laufe des Sommers kamen nun die Polen und zogen bei den Deutschen ein. Wir Deutschen hatten nun nichts mehr zu sagen." Im September 1946 kam schließlich der Befehl, dass alle Deutschen das Land zu verlassen hatten.

"In einen Reisekorb wurde nun das Nötigste gepackt", sagt Willer. In einem Viehtransporter ging es Richtung Westen. Seit 1958 wohnt Ilse Willer in Glehn. Dort wohnte ihr Mann, den sie im selben Jahr heiratete. Dort hat sie den überwiegenden Teil ihres Lebens verbracht. Sie ist im Vorstand der Heimatfreunde und in der evangelischen Kirche aktiv. Über die Heimatfreunde gelang den beiden Duisburger Studentinnen auch der Kontakt mit den schließlich fünf Vertriebenen, deren Schicksale in der Ausstellung dargestellt werden.

Neben Ilse Willer sind dies Emil Redel, Renate Erhart, Horst Täuber und Edith Boderke. Es war Waltraud Delbeck, die Vorsitzende der Heimatfreunde, die die Verbindung zu Özcan und Bergheim geknüpft hatte. "Viele von den Vertriebenen sind Mitglieder der Heimatfreunde", erzählt Delbeck. Es wären noch mehr Interviewpartner möglich gewesen. "Aber wir mussten doch auswählen", meint Waltraud Delbeck.

Insgesamt habe es drei Treffen mit den Studentinnen gegeben, bei denen die fünf Betroffenen interviewt worden sind. Dabei seien die Erinnerung hochgekommen und auch manche Träne geflossen. Auch Delbeck erinnert sich: "Zuerst mussten die Vertriebenen irgendwo unterkommen." Hilfreich sei die Arbeit des katholischen Pfarrers Heinrich Lehndoff gewesen. "Er hat geholfen, wo es ging", berichtet Delbeck. Inzwischen ist die Ausstellung gut angekommen und wird auch weitere Wege gehen. Im August soll sie im Alten Glehner Rathaus gezeigt werden und auch das Düsseldorfer Vertriebenenhaus hat inzwischen Interesse angemeldet.

(NGZ)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort