Lokalsport Ende einer Dienstzeit

Rhein-Kreis · Zwei Spieltage vor dem Ende der Fußball-Saison trennt sich Landesligist SV Uedesheim von Trainer Michael Stork, um den freien Fall von der Ober- bis in die Bezirksliga zu stoppen. Nicht das erste und sicher nicht das letzte Beispiel für Aktionismus und Konzeptlosigkeit, die den sogenannten Amateur-Fußball immer tiefer in die Krise treiben.

 Michael Stork ist nicht der erste Fußball-Trainer im Rhein-Kreis, der vorzeitig gehen musste, und er wird bestimmt nicht der letzte sein.

Michael Stork ist nicht der erste Fußball-Trainer im Rhein-Kreis, der vorzeitig gehen musste, und er wird bestimmt nicht der letzte sein.

Foto: SVÜ

Nein, wirklich überraschend kam diese Pressemitteilung nicht. Fußball-Landesligist SV Uedesheim hat gestern mit sofortiger Wirkung "das Trainerteam um Chefcoach Michael Stork von seinen Aufgaben freigestellt." Man wolle, sagt Vorsitzender Klaus Haas, "diese letzte Möglichkeit, die Mannschaft wach zu rütteln, noch mal nutzen."

Wer zwei Tage zuvor beim bereits als Absteiger feststehenden Lokalrivalen sang- und klanglos mit 0:2 untergeht, der muss so handeln. Muss er das wirklich? Bedienen die Uedesheimer, und mit ihnen vorher und mit an Sicherheit grenzender Vorhersagbarkeit auch nachher so viele Vereine im so genannten Amateurfußball nicht bloß die Klischees und reflexhaften Automatismen, die ihnen von ihren Profi-"Kollegen" Woche für Woche vorgeführt werden?

Mit einfachen Worten: Klaus Haas und die anderen Fußballbosse in den heimischen Vereinen, aber auch ein Großteil der Trainer und Spieler schauen zu viel Fernsehen. Und weil da jeden Tag Fußball gezeigt und bald noch der Stuhlgang des dritten Ersatztorwartes in allen Einzelheiten analysiert wird, reagieren und agieren sie so, wie sie reagieren und agieren.

Beispiele gefällig (alle aus dem Fußballkreis Neuss-Grevenbroich)? Da trennen sich Vereine von ihren Trainern, bloß weil die frühzeitig kundtun, am Ende der Saison sich ein anderes Betätigungsfeld suchen zu wollen oder es bereits gefunden haben. Anderswo würde man von frühzeitiger Planungssicherheit sprechen - im Profi-Fußball hat irgendwer irgendwann mal den eigentlich aus dem Wirtschaftsleben stammenden Begriff der "lame duck" aufgeschnappt und unters Fernseh-guckende Volk gebracht, und schon machen es alle nach. Da müssen dann selbst Trainer dran glauben, die ein dreiviertel Jahr zuvor noch als Aufstiegshelden gefeiert wurden. Da verschleißen Klubs drei und mehr Übungsleiter in einer Saison, sogar solche, die mit dem Kampf gegen den Abstieg rein gar nichts zu schaffen haben. Da holen Trainer ihre Mannschaft vom Feld, weil sie sich vom Schiedsrichter ungerecht behandelt fühlen - von der zum Volkssport gewordenen Unparteiischenschelte nach jedem Punktspiel gar nicht zu reden. Fußball, wie Sport überhaupt, sofern er nicht als Lebensunterhalt ausgeübt wird, soll doch eigentlich Spaß machen - wo tut er das denn noch in hiesigen Breiten? Wo der Spaß fehlt, fehlt schließlich auch das Interesse am Dargebotenen - Zuschauer im so genannten Amateurfußball sind inzwischen zu einer Minderheit geschrumpft. Und das liegt keineswegs nur am fußballerischen Überangebot im Fernsehen - andere Sportarten im Rhein-Kreis machen es ja vor, wie man Fans anlockt und sie bindet.

Doch dafür braucht es Konzepte. Die jedoch sucht man, von winzigen Ausnahmen abgesehen, im heimischen Fußball-Lager vergebens. Wofür auch, schließlich sind "wir" ja Weltmeister und der Titelgewinn in Brasilien spült "uns" die Kinder doch in so großer Zahl in die Nachwuchsmannschaften, dass die Vereine den Andrang kaum bewältigen können. Nur: Wer von den Dreikäsehochs, die heute so gerne Bastian Schweinsteiger und Manuel Neuer sein möchten, ist denn in fünf bis sieben Jahren noch am Ball? Zwanzig von 46 Vereinen des Fußballkreises verfügen aktuell über keine A-Jugend mehr.

Um das zu beheben, braucht es ebenfalls Konzepte. Einfacher ist es freilich, das Spielerreservoir mit Kickern aus den Nachbarklubs (wobei Nachbarschaft inzwischen ein dehnbarer Begriff geworden ist) aufzufüllen, denen kurzerhand ein paar Euro mehr fürs sonntägliche Fußballvergnügen versprochen werden als sie bislang erhalten haben. Das nötige Kleingeld werden "wir" schon irgendwo auftreiben.

Ein Vorsitzender eines Mehrspartenvereins, der auch eine Fußball-Abteilung unterhält, bringt es zugespitzt auf den Punkt: "Mit Leuten aus dem Fußball brauchst du dich nicht über Konzepte, Trainingsinhalte oder Trainingsbedingungen zu unterhalten. Bei Fußballern geht es immer nur um die Frage: Wie kommen wir an Geld?" Er hat den Hahn längst zugedreht: " 1500 Vereinsmitglieder bezahlen Geld dafür, dass sie bei uns Sport treiben können. Und da soll ich 30, 40 Leuten etwas dafür bezahlen, dass sie in der Kreis- oder Bezirksliga gegen den Ball treten?"

So sehen das nicht viele. Doch wird das von Mäzenen aufgebrachte Geld knapper, weil die Wirtschaft nicht floriert oder das Interesse erlahmt, ist der Niedergang einer vornehmlich auf diesen finanziellen Mitteln und nicht auf konzeptioneller Nachwuchsarbeit fußenden Sportart nur schwer aufzuhalten - siehe die aktuelle Situation im Fußballkreis Neuss-Grevenbroich.

Was das alles mit Michael Stork und seinem Rauswurf beim SV Uedesheim zu tun hat? Eine ganze Menge. Denn Stork und seine Kollegen sind Opfer einer ungesunden Entwicklung (zu der die stets Verstärkungen fordernde Trainerzunft freilich viel beiträgt), die fehlende Konzepte und Strukturen durch Aktionismus auszugleichen versucht. Das kann nicht gut gehen - und das nicht nur in Uedesheim.

(NGZ)
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