Lokalsport Stehende Ovationen für einen Absteiger
Dormagen · TSV Bayer Dormagen verabschiedet sich mit 28:31 gegen die TSG Friesenheim und viel Wehmut aus der Zweiten Handball-Bundesliga.
So etwas gibt es nur in einer Handball-Stadt: Obwohl der TSV Bayer Dormagen seit zwei Wochen als Absteiger feststand, obwohl er mit dem 28:31 (Halbzeit 11:14) gegen die TSG Friesenheim die 28. Saisonniederlage kassierte und damit das Dutzend vor heimischem Publikum vollmachte, verabschiedeten ihn 1049 Zuschauer am Samstagabend mit stehenden Ovationen aus der Zweiten Bundesliga.
Viele hoffen, dass es nur ein Abschied auf Zeit sein wird. "Dieser Verein gehört in die Zweite Bundesliga", sprach Jörg Bohrmann das aus, was viele - nicht allein in Dormagen - denken. Der 46-Jährige, Anfang März als Trainer zurückgetreten, um - letztlich erfolglos - neue letzte Kräfte im Kampf gegen den Abstieg frei zu setzen, wurde ebenso mit tosendem Beifall in den zeitweiligen Ruhestand entlassen wie sein Nachfolger Tobias Plaz.
Bei beiden sei es "kein Abschied, sondern ein Dankeschön für die geleistete Arbeit", betonte Handball-Geschäftsführer Björn Barthel. Während die - sportliche und berufliche - Zukunft von Bohrmann noch offen ist, ist die von Tobias Plaz zunächst einmal geklärt: Der 34-Jährige wechselt vom Marketingbüro am Höhenberg ins Dormagener Rathaus in den städtischen Sportbetrieb, wird für seinen ehemaligen Arbeitgeber aber weiterhin unterstützend tätig sein.
Denn, daraus macht Björn Barthel kein Hehl, "irgendwann wollen wir wieder zurück in die Zweite Liga. Dann aber mit besseren wirtschaftlichen Voraussetzungen als jetzt." Vom direkten Wiederaufstieg spricht hingegen keiner, zumal in Gestalt von Eintracht Hagen ein überaus potenter Mitabsteiger die ohnehin starke Konkurrenz durch die bisherigen Drittligisten Leichlinger TV, HSG Krefeld und Neusser HV weiter verschärfen wird.
Für Dennis Marquardt hat sich das Kapitel Zweite Liga ganz und gar nicht erledigt. Der Mitte Oktober wegen einer schweren Schulterverletzung und anschließender Operation außer Gefecht, feierte gegen Friesenheim nach 18 Minuten ein bis zum Anpfiff geheim gehaltenes Comeback. "Dieses Spiel war mir unheimlich wichtig, vor allem noch mal gemeinsam mit meinem Bruder zu spielen", sagte der 31-Jährige. Und schob schnell nach: "Ich hoffe, das war nicht mein letztes Zweitliga-Spiel - mal abwarten." Sein engagierter und beherzter Auftritt in Abwehr wie Angriff leistete jedenfalls der Meinung Vorschub, sein Ausfall habe maßgeblich zum Dormagener Abstieg beigetragen.
Da ist 'was dran. Denn er auch immer sich vorher und nachher auf seiner Position versuchen durfte, besaß vielleicht mehr Torgefahr oder mehr Kreativität als Dennis Marquardt. Doch keiner strahlte jene Ruhe und Autorität aus, wie sie dem 31-Jährigen eigen sind, wie er sie gleich beim ersten Einsatz wieder auf die Platte brachte - und wie sie dem TSV genau in den kritischen Momenten dieser Spielzeit fehlten.
Am ehesten hätte noch Sergio Muggli das Zeug dazu gehabt, wenn der in der Winterpause verpflichtete Schweizer mehr Trainingseinheiten und Spiele hätte bestreiten können. "Dass ich mich gleich in meinem ersten Spiel verletzt habe, hat sicherlich dazu beigetragen, dass wir nicht mehr genug Punkte geholt haben", mutmaßt der 22-Jährige, der zu den Kadetten Schaffhausen zurückgekehrt.
Für ihn gab es den gleichen herzlichen Abschiedsapplaus wie für das weitere Quintett, das den TSV verlässt. Beim Abgang von Sebastian Damm, wie Jo-Gerrit Genz vier Jahre im Bayer-Dress aktiv, brachen bei einigen (weiblichen) Fans alle Tränendämme. "Um die muss ich mich jetzt mal kümmern", sagte der 20-Jährige, der künftig für den VfL Bad Schwartau in der Zweiten Liga aufläuft. Was zeigt: Handball ist eben mehr als die Addition von geworfenen und kassierten Toren - vor allem in einer Handball-Stadt.