Schadensersatz in Deutschland und in den USA Vergleich der Rechtssysteme

In Schadensersatzprozessen in den Vereinigten Staaten sprechen die Gerichte Summen zu, die in der deutschen Berichterstattung im Vergleich zu den von deutschen Gerichten zugesprochenen Summen als astronomisch bezeichnet werden. In diesem Zusammenhang wird immer wieder der Fall der Fast Food Unternehmenskette McDonald's aufgeführt. Ein amerikanisches Gericht verurteilte dieses Unternehmen zu einer Strafzahlung in Höhe von 2,9 Millionen Dollar, da sich der klagende Gast an dem ihm angebotenen zu heißen Kaffee verbrüht hatte.

Im weiteren Verlauf des Prozesses wurde dann diese Summe nach unten korrigiert. Der Gast erhielt jedoch immer noch eine Summe in Höhe von 600.000 Dollar. Es taucht daher immer wieder die Frage auf, wie entsprechende Entscheidungen amerikanischer Gerichte entstehen können und weshalb in Deutschland keine vergleichbaren Summen zugesprochen werden. Diese Fragen lassen sich durch eine Gegenüberstellung des deutschen und amerikanischen Schadensersatzrechtes beantworten. Einer der gravierendsten Unterschiede im Schadensersatzrecht der jeweiligen Länder besteht darin, dass das deutsche Schadensersatzrecht darauf ausgerichtet ist, den Zustand wieder herzustellen, der vor Eintritt eines Schadensfalles vorgeherrscht hat.

Erst wenn dieser Zustand tatsächlich nicht mehr wieder hergestellt werden kann, ist vom Schädiger Schadensersatz in Form von Geld zu leisten. Hierbei besteht für den Geschädigten die Verpflichtung, den eingetretenen Schaden so gering wie möglich zu halten - die sogenannte Schadensminderungspflicht. Das amerikanische Schadensersatzrecht sieht dagegen grundsätzlich nur Schadensersatz in Geld vor. Ein weiterer Unterschied zwischen den Rechtssystemen besteht darin, dass nach amerikanischem Schadensersatzrecht auch hypothetische Schäden, also solche, die erst in der Zukunft entstehen, ersetzt werden können. Die von amerikanischen Gerichten zugesprochenen, hohen Schadensersatzsummen sind des weiteren darauf zurückzuführen, dass das amerikanische Rechtssystem durch solche hohen Zahlungen die Schädiger auch bestrafen möchte.

Das kommt insbesondere dann zum Tragen, wenn sich nach Ansicht eines Gerichtes der Schädiger besonders rücksichtslos oder gar bösartig verhalten hat. Auch bei grober Mißachtung der erforderlichen Sorgfalt kann ein Strafschadensersatz verhängt werden. Gleichzeitig verfolgt der amerikanische Gesetzgeber durch die Verhängung von Strafschadensersatz auch das Ziel, die Allgemeinheit zu schützen. Um dieses Ziel zu erreichen, verhängten die US-amerikanischen Gerichte - insbesondere gegen große Firmen - teilweise drakonische Strafschadensersatzsummen. So wurde beispielsweise im Fall Texaco erstmals eine Strafzahlung verhängt, die jenseits der Milliarden-Dollar-Grenze lag.

In den neunziger Jahren setzte sich diese Rechtsprechung fort, zum Beispiel im Verfahren gegen die Firma Exxon, die anlässlich des Tankerunglücks vor der Küste von Alaska zu einer Zahlung in Höhe von 5,3 Milliarden Dollar verurteilt wurde. In jüngster Vergangenheit bekam vor allem die Tabakindustrie die Auswirkungen dieser Rechtsprechung zu spüren. So verurteilte ein Gericht in Florida im vergangenen Jahr die Tabakindustrie zu einer Zahlung in Höhe von 145 Milliarden Dollar. Bei der Beantwortung der abschließenden Frage, welchem Rechtssystem der Vorzug zu geben ist, ist anzumerken, dass beide Rechtssysteme sowohl Vorteile als auch Nachteile aufweisen.

Vergegenwärtigt man sich jedoch die in der deutschen Rechtsprechung teilweise auch bei schwersten Schädigungen zugesprochenen Schadensersatzansprüche, stellt sich die Frage, ob hier nicht ein Umdenken erforderlich ist. Dies bedeutet nicht zwangsläufig, dass amerikanische Größenordnungen angestrebt werden sollen. Dennoch wäre aus der Sicht der Geschädigten eine Anpassung der Schadensersatzrechtsprechung nach oben durchaus begrüßenswert. Michael Weber

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