Solingen Malen statt fernsehen

Solingen · Die evangelische Kirche kämpft gegen Kinderarmut und startet das Projekt "Stifte stiften", um bedürftige Grundschüler mit Lernmaterial für den Unterricht auszustatten. Bis zu 3000 Kinder sind betroffen.

Viele, zu viele Grundschulkinder sind unmittelbar von Armut betroffen. Das erleben Lehrer tagtäglich im Unterricht. In den Federmäppchen der Kinder herrscht Ebbe; Schulhefte sind nicht ausreichend vorhanden. Auch das wichtige Sachbuch fehlt mitunter, in dem der kleine Erstklässler zu Hause noch einmal etwas nachlesen könnte. "Die Leitungen der Grundschulen haben uns bestätigt, dass es hier ein Problem gibt", hatte Superintendent Klaus Riesenbeck bei der Synode des evangelischen Kirchenkreises die Situation beschrieben.

Jetzt liegen die Ideen der Kirche, um gegenzusteuern, konkret auf dem Tisch. Bedürftige Grundschulkinder sollen mit dem erforderlichen Lernmaterial ausgestattet werden. "Es ist ein Projekt zu mehr Bildungsgerechtigkeit", betonten Friederike Stratmann, Geschäftsführerin im Diakonischen Werk, sowie Pfarrer Thomas Förster im Schulausschuss. Das Motto ist dabei Programm: "Stifte stiften".

Keine Frage, dies trifft den Nerv. Spontan warfen Schulpolitiker und Zuhörer im Ausschuss 150,22 Euro in die Mütze von Hartmut Hoferichter, mit der der Erste Beigeordnete während der Schulausschuss-Sitzung durch die Reihen ging.

Bei "Stifte stiften" will die evangelische Kirche aber nicht nur Spendengeld sammeln, etwa bei den Kollekten in den Sonntagsgottesdiensten. Bei Aktionstagen vor und nach den Sommerferien soll zudem vor Geschäften um einen Mehrwert-Einkauf von Unterrichtsmaterial für die Erst- bis Viertklässler gebeten werden.

Friederike Stratmann und Thomas Förster gehen davon aus, dass 2000 bis 3000 Grundschulkinder betroffen sind. 8000 bis 10 000 Euro werden nach ihren Worten jährlich gebraucht. Welche Kinder die bereitgestellten Stifte und Schulhefte bekommen sollen, will die Kirche in die Hand der Lehrer in den einzelnen Grundschulklassen geben. Außerdem ist daran gedacht, mit der Solinger Tafel zusammenzuarbeiten.

Die Diakonie-Geschäftsführerin beobachtet jedenfalls längst eine neue Armut, die zunehmend bei der Mittelschicht ankommt. Alleinerziehend, Trennung und Scheidung, Arbeitslosigkeit und Migrationshintergrund – das sind die Armutsrisiken. Jeder könne plötzlich seinen Arbeitsplatz verlieren. Es könne jeden treffen.

Jedes vierte Kind ist arm

Friederike Stratmann erlebt aber auch eine zunehmende Bildungsarmut. Immer mehr Kinder könnten zum Beispiel nicht mehr schwimmen, wenn sie in die Grundschule kommen. Folge der Bildungsarmut: Die Mädchen und Jungen haben in der Schule eigentlich null Chancen, selbst wenn sie begabt sind.

Höchst besorgt ist auch Caritas-Chef Dr. Christoph Humburg: "Jedes vierte Kind in Solingen lebt schon unter der Armutsgrenze."

(RP)
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